Main-Echo Pressespiegel

Ein Ort der Mystik oberhalb von Wiesen

Kreuzwege: 14 farbige Bildstöcke idyllisch unter großen Weymouthskiefern - Auf kaum einer Karte zu finden
Wiesen  Es ist still hier oben auf dem Kreuzberg bei Wiesen. Kein Wind, kein Rascheln, nicht das leiseste Geräusch ist zu hören. Nur das Knirschen des Schnees unter den eigenen Schuhen. Der richtige Ort zur Einkehr, zur Besinnung, zur Meditation. Der Wiesener Pfarrer Dr. Friedrich Frank hätte keinen besseren Ort finden können, um seinen Kreuzweg zu errichten.

Einsam ist es hier. Die Kreuzkapelle ist auf Karten im Internet, etwa auf Google oder dem Bayernatlas, nicht verzeichnet. Vielleicht mit ein Grund, weshalb der Ort seine Mystik bewahrt hat. Obwohl: Ganz vergessen scheint er nicht zu sein, das zeigen Spuren im Schnee. Am 4. Februar wurde hier in der - ungeheizten - Kapelle eine Segensfeier für Paare abgehalten. Die Dekoration steht noch.
Berühmter Erbauer
Die Wiesener Kreuzkapelle ist nicht zu beschreiben, ohne ihren Erbauer - den Pfarrer Friedrich Frank (1832 bis 1904) - zu nennen. Frank war zwischen 1873 und 1894 Pfarrer von Wiesen und engagierte sich sehr für die Bevölkerung.
In seinem Pfarrhaus, heute das Wiesener Schloss, hatte er eine Schülerwerkstätte eingerichtet, in der Jungen etwa das Handwerk des Bürstenmachens und Besenbindens lernen konnten. Für Mädchen erbaute er 1881 das spätere Haus Joshua als klösterliche Anstalt. Mit einer Darlehenskasse ermöglichte er Bauern den Ankauf von Saatgut und landwirtschaft᠆lichen Geräten. Zudem war er maßgeblich an der Gründung der Wiesener Brauerei beteiligt.
Bekannt wurde Frank auch als Politiker. Von 1875 bis 1899 saß er im Bayerischen Landtag und beschäftigte sich mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, bei denen die Not im Spessart eine große Rolle spielte. Zudem war er ein emsiger Kämpfer gegen den Antisemitismus, weshalb er damals - und noch im Dritten Reich - als Jude diffamiert wurde.
Den langen Pilgerweg ersparen
Im Jahre 1883 ließ Pfarrer Frank die Kreuzkapelle auf der Anhöhe errichten. Der Pfarrer wollte damit seiner Kirchengemeinde die langen Pilgerreisen nach Frammersbach ersparen. Der Hochaltar der Kapelle ähnelt jenem in der Kirche St. Jakobus in Wiesen. Jeden ersten Sonntag im Monat führte der Geistliche seine Gläubigen auf die Anhöhe und hielt eine feierliche Andacht in der Kreuzkapelle.
Der Kreuzweg stand allerdings schon 1873, ist also älter als die Kapelle. 14 Stationen finden sich hier, idyllisch von großen Weymouthskiefern gesäumt. In Zweier- und Dreiergruppen stehen sie sich auf dem kurzen Wandelgang gegenüber. Die Bildtafeln zeigen den Kreuzweg Jesu in farbigen, naiven Bildern. Jeder Bildstock wird von einem kleinen Holzkreuz gekrönt, eine Steinbank davor lädt wohl mehr im Sommer zum Hinknien ein.
Kriegsschäden noch sichtbar
Einige Bildstöcke tragen Narben des Krieges. In den letzten Kriegstagen 1945 hatten sich hier deutsche Soldaten verschanzt und lieferten sich ein Feuergefecht mit amerikanischen Panzerspähwagen. Dabei wurden die Kapelle und die Bildstöcke schwer beschädigt. Als Erinnerung hat man die Bildstöcke so saniert, dass die erneuerten Teile erkennbar blieben.
Die Feldkapelle oberhalb der Gemeinde Wiesen in Richtung Bamberger Mühle ist für unzählige Spessartwanderer ein Begriff. Unmittelbar an dem Kleinod führt der Eselsweg vorbei, der einst eine wichtige Handelsstraße war. Wiesen verdankte seinen einstigen Reichtum seiner Lage an der Kreuzung des Eselswegs mit der Birkenhainer Straße, einem anderen Handelsweg. Heute sind sie als Fernwanderwege ein Begriff.
Die Anlage ist mehrmals restauriert worden. 1983 putzten die Wiesener ihre Kapelle, zur Hundertjahrfeier heraus und 2008 wurde sie zum 125-jährigen Bestehen erneut hergerichtet.
Pestkreuz 2008 restauriert
Dabei wurde das Pestkreuz an der Fassade der Kapelle vom Aschaffenburger Steinmetz Helmut Hirte restauriert. Das Kreuz aus dem Jahre 1610, das an die Epidemien erinnerte, stand einst im Ort. 1882 wurde es auf den Kreuzberg versetzt und auf einem noch vorhandenen Sockel inmitten der Anlage errichtet.
In den 1970er-Jahren soll es von Unbekannten umgestoßen und in mehrere Stücke zerschlagen worden sein - vielleicht ist es auch von selber umgekippt. Auf jeden Fall wurde es darauf sofort wieder restauriert und an der Außenfront der Kapelle angebracht. Nur ein wenig kleiner ist es dadurch geworden. Einst 3,5 Meter hoch beträgt seine Größe heute nur noch 2,7 Meter.

b Nächste Folge: Mittwoch, 21. Februar: Kreuzweg in Oberwestern. Dossier: www.main-echo.de kreuzwege
Josef Pömmerl

16.02.2018
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