Birgit (51) und Johanna (19) Maidhof kommen aus dem Ortsteil Oberbessenbach. An diesem Morgen sind sie bei Straßbessenbach im Einsatz. Meist habe eine Rehgeiß zwei Kitze, weiß Birgit Maidhof. Deshalb geht die Suche auf der Wiese weiter. In 20 bis 50 Metern Entfernung könnte das Geschwisterkitz liegen.
Tamara Stenger (49), ihr Mann Martin (47) und Tochter Carla (13) sind an diesem Morgen ausnahmsweise im Familienverbund bei den Kitzrettern dabei. Genauer gesagt: Tamara Stenger hat die Aktion 2017 ins Leben gerufen. Sie habe von Kitzrettungsaktionen im Kreis Miltenberg gehört und von Jägern bestätigt bekommen, dass es auch in Bessenbach durchaus Unfälle beim Mähen gibt.
Tamara Stenger koordiniert die Einsätze auf Feld und Wiese, bindet Jäger und Landwirte ein. Sie betont den Teamgeist, der in der Kitz-Gruppe herrsche. Von Anfang Mai bis Anfang Juli sind die Kitzretter im Einsatz. 40 Mitglieder zählt die Gruppe mittlerweile. An diesem Morgen sind acht Leute unterwegs. Meist sind die Retter zwischen 5.30 und 8 Uhr im Einsatz. Dann geht's auf die Arbeit.
2019 haben sie insgesamt 110 Hektar nach Kitzen abgesucht. Heuer werden es wohl noch mehr, sagt Tamara Stenger.
Die Gruppe hat einen Flyer herausgebracht, der die Aktion erklärt. Demnach versteckt die Rehgeiß ihr Kitz nach der Geburt im hohen Gras und lässt es eine Weile alleine, um nach Nahrung zu suchen. Geboren werden die meisten Kitze zwischen Anfang Mai und Ende Juni. Gleichzeitig beginnt die Mähsaison für die Landwirte.
Mähwerke fahren mit Geschwindigkeiten bis zu 15 Kilometer pro Stunde durch die Wiesen. Breite des Mähwerks: bis zu sechs Meter. »Hier gibt es für Wildtiere keine Chance zu entkommen«, steht in dem Flyer.
Daher werden die Wiesen abgesucht. Ist ein Kitz gefunden, wird ihm der Wäschekorb übergestülpt. Der Landwirt weiß, wo er aufpassen muss. Nach dem Mähen wird der Korb entfernt. Die Geiß kann ihr Kitz abholen.
Wichtig ist, so Tamara Stenger weiter, dass gleich nach der Suche gemäht wird - bevor die Rehgeißen weitere Kitze im hüfthohen Gras ablegen. Seit 2017 habe man in Bessenbach rund 100 Kitze gerettet. Allein im vorigen Jahr seien es bei 38 Einsätzen 41 Tiere gewesen.
Auf dem Flyer ist eine Spendenkonto-Nummer zu lesen. Organisiert von der Gemeinde Bessenbach, ging und geht es darum, Geld für die Kitzrettung einzusammeln. Bisher sind nach Angaben aus dem Rathaus auf dem Spendenkonto knapp 8800 Euro eingegangen. Das Geld ist bereits investiert - und zwar in zwei Drohnen mit Wärmebildkameras.
Die Geräte sind aktiv. Mitglieder der Kitz-Gruppe haben eigens eine Ausbildung gemacht, um die Drohnen fliegen zu dürfen. Entscheidend, so Tamara Stenger, sei die Wärmebildkamera der Drohne. Vor allem früh morgens seien die Kitze als Wärmepunkt auf dem Bildschirm, der zur Drohen gehört, gut erkennbar. So stehen Drohnen-Piloten, Monitor-Schauer und Kitz-Sucher über Funkgeräte in Kontakt. Jeder vor der Kamera aufgenommene Punkt auf der Wise könnte ein Kitz sein.
Die »klassische« Suche bleibt indes nicht aus. Unter Bäumen und Hochspannungsleitungen oder an den Wiesenrändern wird die Drohne nicht eingesetzt. Diese Passagen werden abgelaufen - mit wachem Auge zu früher Stund'.
Bereits im Vorjahr hatten die Retter die Möglichkeit, die Drohne eines Jagdpächters aufsteigen zu lassen. Heuer nun sind dank der Spendenbereitschaft der Bessenbacher drei Exemplare in der Luft.
Das erleichtere nicht nur die Suche, so Tamara Stenger. Mit den Drohnen könne man fortan noch mehr Wiesen absuchen. Sie und ihre Mitstreiter hoffen, dass sie durch die moderne Technik dann noch viel mehr Rehkitze vor dem Mähtod retten können.
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