Main-Echo Pressespiegel

Die Kitzretter von Bessenbach

Tierschutz:Eine Gruppe von Freiwilligen sucht regelmäßig vor dem Mähen die Wiesen nach Jungtieren ab – Weitere Helfer benötigt
Sie trot­zen der Hit­ze und dem Heu­schnup­fen, die Kitz­ret­ter von Bes­sen­bach. Re­gel­mä­ß­ig sucht ei­ne Grup­pe von Leu­ten – teil­wei­se hef­tig nie­send – Wie­sen vor der Mahd nach Reh­kit­zen ab. Mit Er­folg: 20 Jung­tie­re ha­ben sie die­ses Jahr schon ge­ret­tet.

Am Mittwochnachmittag trifft sich ein Dutzend Menschen, mit Stöcken ausgerüstet, in Straßbessenbach auf dem Weg zum Waldmichelbacher Hof. Ein Landwirt hat gemeldet, dass er an diesem Tag seine Wiese dort mähen will. Jetzt soll sie abgesucht werden.

In einer Reihe im Abstand von etwa einem Meter werden sie das hohe Gras absuchen. Dabei halten sie sich an einer blauen Schnur fest, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Mit ihren Stöcken drehen sie alle Grasbüschel um, in der Hoffnung dabei ein Rehkitz zu finden.

Schwierig zu finden

Selbst in diesem engen Suchschema ist nicht sicher, dass alle Tiere gefunden werden. Zu gut sind die etwa katzengroßen Jungtiere oft versteckt, zumal sie sich auch nicht rühren, wenn man direkt über sie hinwegschreitet. So kann es schon passieren, dass das eine oder andere Tier trotz aller Bemühungen übersehen wird und zu Tode kommt. Das sei dann frustrierend, erzählt eine Teilnehmerin.

Wird ein Tier gefunden, wird es vorsichtig – mit Handschuhen und in Grasbüschel gepackt – möglichst weit weggetragen. Denn das Muttertier erkennt ihr Junges nicht mehr an, wenn es einen fremden Geruch trägt. Wichtig ist, dass nach der Absuche schnell gemäht wird, sonst könnte die Mutter ihr Junges wieder zurückführen.

An diesem Tag müssen sie nur rund einen Hektar absuchen – das Feld davor war über 15 Hektar groß. »Das ist unser Sport«, sagt eine Frau. Schon für den einen Hektar werden sie anderthalb Stunden brauchen – diesmal ohne Erfolg.

Seit einem Jahr aktiv

Seit einem Jahr gibt es die Gruppe. Begonnen hat es allerdings schon vor zwei Jahren mit einem Aufruf der Gemeinde Bessenbach nach Helfern für die »Action for Kitz« (siehe Infokasten) im Gemeindeblatt. Damals habe sie sich sofort gemeldet, erzählt Tamara Stenger, und sich registrieren lassen. Doch dann sei nichts mehr passiert. So hat sie im vorigen Jahr die Initiative ergriffen und die Einsätze koordiniert. Die Gemeinde Bessenbach unterstütze sie dabei.

Anfangs waren sie nur zu fünft, erinnert sich Tamara Stenger, jetzt sind es über 30 Kitzretter und es werden ständig mehr. Dennoch: Die Zahl reicht nicht, um alle Felder abzusuchen. Sie könnten weitere Helfer brauchen. Immer wieder müsse sie Landwirten eine Absage erteilen. »Wir lassen vor allem Wiesen aus, die nahe an vielbefahrenen Straßen liegen, in der Hoffnung, dass die Rehkitze diese meiden«, so Stenger.

Das Problem sei, so erzählt Jagdpächter Roland Hein, dass die Rehe ihre Tiere etwa in der gleichen Zeit bekommen, in der die Bauern ihre Wiesen mähen müssen. Und wenn gutes Wetter sei, dann würden alle zugleich mit der Mahd beginnen. Dann kämen so viele Anfragen, dass man sie gar nicht alle erfüllen könnte.

Den Landwirten nicht egal

Roland Hein hat den Einsatz am Mittwoch ausgelöst, nachdem ihn der Landwirt angerufen hatte. Per WhatsApp-Gruppe wurden die Kitzretter alarmiert. Einem anderen Landwirt musste er dafür absagen. Dieser will jetzt erst in der Woche darauf mähen.

Es sei eben nicht so, dass es den Landwirten egal sei, wenn Tiere umkommen, erzählt Hein. Als er ein Fasanennest mit Jungvögeln entdeckt habe, habe der Landwirt danach einen großen Teil der Wiese stehen gelassen. »Das ist mir lieber, als wenn ich die Tiere töte«, habe er gesagt. Auch Nester von Junghasen hätten sie so schon gerettet.

Die Haltung der örtlichen Bauern stehe im Gegensatz zu der des Bauernverbandes, erklärt Tamara Stenger. Der habe bisher Gespräche mit ihr über eine technische Lösung abgelehnt. Dabei gebe es schon Lösungen, etwa Mähdrescher, die automatisch den Mähbalken anheben, wenn sie ein Jungtier orten.

Weil sie nicht alle Felder abgehen können, haben es die Kitzretter jüngst auch mit einer Drohne mit Infrarotkamera versucht. Mit Erfolg: Acht Rehkitze konnten aufgrund ihrer Wärmeabstrahlung in nur einem Feld geortet werden.

d Video dazu: www.main-echo.de

JOSEF PÖMMERL
21.06.2018
mehr unter www.main-echo.de
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