Main-Echo Pressespiegel

Die verschwundenen Löschteiche

Gewässer: Dämme in Waldmichelbach geschlitzt - Staatsforsten planen große Naturschutz-Maßnahme bis Frühjahr
Wo ist das Wasser? Ein Skandal sei das, was hier passiert sei, sagt Ernst Rutschmann. Der 87-jährige frühere Förster stapft durch den Wald zu den beiden Löschteichen in Waldmichelbach, die einst mit dem Waldmichelbacher See eine Dreier-Kette bildeten. Doch nur der obere See führt noch Wasser.

Im vorigen Jahr, so erzählt Rutschmann, habe das Wasserwirtschaftsamt gesagt, die Dämme seien eine Gefahr bei Starkregen. Sie könnten brechen und eine Flutwelle auslösen. Daher habe man sie »geschlitzt«.
Solide errichtet
»So ein Blödsinn«, schimpft Rutschmann: »Hundert Jahre hätten die noch gehalten.« Rutschmann hat 1967 die Dämme errichten lassen. Damals hat der Wald noch dem Grafen von Schönborn gehört, der diesen später an den bayerischen Staat verkauft hat.
Man habe die Dämme sehr solide gebaut, denn sie wurden auch für die Holzabfuhr genutzt. Damals habe man das Holz noch mit Pferdefuhrwerken aus dem Wald geholt. Und für die Pferde sei es zu anstrengend gewesen, den Talgrund zu durchqueren.
Große Steine habe man im Talgrund versenkt, dazu Faschinen, als Verstärkung der Wände. Innen haben man die Teiche mit Lehm aus Straßbessenbach abgedichtet. Ein sogenannter »Mönch«, ein regulierbares Ablaufbauwerk, sei in jeden Damm eingebaut worden. Zur Sicherheit gab es Abwässergräben, falls der Mönch verstopft sein sollte.
Laichplatz für Amphibien
Unterhalb des Waldmichelbacher Sees, der als Naturdenkmal ausgewiesen ist, entstanden so zwei Löschteiche. Ihren eigentlichen Zweck haben die Löschteiche nie erfüllen müssen, denn gebrannt hat es seither nicht mehr. Stattdessen dienten sie Kröten, Fröschen und anderen Amphibien als Laichplatz. Eine Biologin habe im Auftrag des Spessartbunds jedes Jahr eine Bestandsaufnahme gemacht. Auch seien die Teiche ein beliebtes Ausflugsziel gewesen.
Der Bessenbacher Bürgermeister Franz Straub (CSU) fordert daher ebenfalls: »Die Seen müssen wieder her.« Er habe schon den Landtagsabgeordneten Peter Winter (CSU) deswegen eingeschaltet. Als die Dämme zerstört wurden, sei er im Urlaub gewesen, sonst hätte er es verhindert. Straub glaubt nicht, dass die Dämme zu brechen drohten. Sein Vater habe an deren Bau mitgearbeitet und er selber war als Kind mehrmals an der Baustelle. Daher wisse er, wie stabil die gebaut wurden.
Unterer Damm nicht standsicher
Nach Angaben von Jochim Keßler, Leiter der Staatsforsten in Heigenbrücken, hatte das Wasserwirtschaftsamt aber festgestellt, dass der untere Damm nicht standsicher sei. Am Fuße des Dammes sei auf der ganzen Breite Wasser ausgetreten.
Dies bestätigt Herbert Walter, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg. Die Dämme seien im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht überprüft worden. Dabei wurden bauliche und funktionale Mängel festgestellt.
Vom Betreiber der Teiche, den Bayerischen Staatsforsten, sei daher eine Überprüfung der Dichtigkeit und Tragsicherheit gefordert worden. Am 22. Juli 2015 habe es dazu eine Ortsbegehung mit der Gemeinde und mehreren Ämtern gegeben.
Mittlerer Damm wird erneuert
Zur Erkundung der Bauausführung und Materialbeschaffenheit erfolgte nach Fällung des Baumbestands eine Schlitzung bis auf die Sohle der Dammkörper der Teiche eins und zwei. Beim mittleren Damm ging es auch um die durch ihn verlaufende Leitung der Bessenbacher Wasserversorgung, die erneuert werden soll.
Dieser Damm soll auf jeden Fall wiederhergestellt werden, wie Joachim Keßler erklärt. Er soll aber verstärkt und zur Talseite hin abgeflacht werden. Keßler hat eine Planung erstellen lassen, die jetzt mit der Unteren Naturschutzbehörde abgeklärt werden muss.
Der obere Teich, der eigentliche Waldmichelbacher See, soll so erhalten bleiben, wie er ist. Dies sei »naturschutzfachlich eine Perle«, so Keßler. Offene Gewässer seien im Spessart eine Seltenheit und dieser mit seinen vielen Insekten diene vor allem den Fledermäusen als Nahrungsquelle. Der Damm solle aber ebenfalls verstärkt und zur Talseite hin abgeflacht werden. Zudem erhalten beide Dämme Überflusskanäle.
Mehrere Tümpel als Ersatz
Der dritte, unterste Damm wird ganz verschwinden. Nach Angaben des Wasserwirtschaftsamts werde er nicht als Hochwasserschutz benötigt. Statt des Löschteichs möchte Keßler hier vier kleinere Amphibientümpel anlegen. Zwei flachere und zwei tiefere, die im Winter nicht zufrieren. Zudem soll sich der Überlauf vom zweiten Damm als offener Bach dazwischen bergab winden. Damit will Keßler verschiedene Arten von Amphibien bedienen.
Dafür würden die Bayerischen Staatsforsten diesen Winter rund 60 000 Euro in die Hand nehmen. Bis zur Laichzeit der Amphibien, die Ende Februar beginnt, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Überlegung für Rundwanderweg
Die Überlegungen von Keßler gehen weiter. Er möchte die Seen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Er überlegt, einen Rundwanderweg anzulegen, den er scherzhaft »Schlachtplattenweg« nennt. Wer im Waldmichelbacher Hof seine Schlachtplatte gegessen hat, könne diese anschließend hier verdauen. Dazu will er sich mit dem Spessartbund in Verbindung setzen: »Die haben mehr Erfahrung im Anlegen von Wanderwegen.«
Josef Pömmerl

10.10.2017
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