Die Faktenlage, die nach außen dringt, ist zunächst dünn. Ein Mann, Mitte 50, sucht demnach am Montagvormittag das Finanzamt auf. Der Steuerberater begibt sich nach Angaben der Polizei in ein Büro im Erdgeschoss, beginnt ein Gespräch mit dem für ihn zuständigen Sachgebietsleiter. Die beiden Männer sind laut Ermittlern allein im Raum. Kurze Zeit später fallen Schüsse. Der 58 Jahre alte Behördenmitarbeiter wird schwer verletzt und stirbt im Krankenhaus. Der Täter kann mit einer Platzwunde am Kopf noch im Finanzamt festgenommen werden.
Warum es zu dem Streit kam, warum wieder ein Behördenmitarbei- ter sterben muss - dazu kann die Polizei zunächst keine Auskunft geben. Auch zum Täter selbst wollen sich die Ermittler zunächst nicht weiter äußern.
Das Finanzamt, ein typischer Behördenbau, liegt am Rand der Innenstadt von Rendsburg, ein ruhiges Wohngebiet mit Einfamilienhäusern schließt sich an.
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) als oberste Dienstherrin reagiert sofort und fährt von Kiel nach Rendsburg. Die Betroffenheit in der Landesregierung sei groß, sagt sie sichtlich mitgenommen. Für die Mitarbeiter des Finanzamtes sei es eine schwierige Situation. »Und es wird sicherlich eine ganze Zeit brauchen, bis es verarbeitet ist.«
Den Mitarbeitern im Finanzamt werde psychologische Hilfe angeboten, versprach die Landesfinanzministerin. Das Problem: Behörden sind als öffentlicher Raum organisiert, die Finanzämter sollen frei zugänglich sein für die Bürger, wie Heinold sagt. Das sei ein hohes Gut. Dennoch werde es nun natürlich Fragen zur Sicherheit geben. Ob etwas verändert werden müsse, müsse in der nächsten Zeit besprochen werden. Im Rendsburger Finanzamt ist an Normalbetrieb erst einmal nicht zu denken. Am Montag und auch am Dienstag sollte das Amt geschlossen bleiben. An den Eingangstüren hängen entsprechende Schilder: »Finanzamt vorübergehend geschlossen!« Kriminaltechniker in weißen Anzügen und blauen Überziehern haben die Räume in Beschlag genommen, sichern Spuren und vernehmen Zeugen. Das werde noch einige Zeit dauern, sagt der Polizeisprecher.
Birgitta von Gyldenfeldt (dpa)
Hintergrund: Tödliche Gewalt gegen Mitarbeiter in deutschen Amtsstuben
In deutschen Behörden gab es schon häufiger Vorfälle, bei denen wütende Bürger auf Mitarbeiter losgingen und diese schwer verletzten - in einigen Fällen wie jetzt im Finanzamt von Rendsburg in Schleswig-Holstein wurden Angestellte sogar getötet.
April 2013: Ein 74 Jahre alter Rentner erschießt den Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont (Niedersachsen). Tatort ist dessen Büro im Hamelner Kreishaus. Anschließend tötet sich der Täter selbst. Er soll jahrelang Ärger mit der Justiz gehabt haben.
September 2012: Ein 52 Jahre alter Mann stürmt in das Jobcenter im niederrheinischen Neuss und ersticht eine Mitarbeiterin mit einem Fleischermesser. Der Vater von fünf Kindern hatte der Behörde illegalen Handel mit seinen persönlichen Daten unterstellt.
Mai 2011: Eine 39-Jährige randaliert in einem Frankfurter Jobcenter und verletzt einen Polizisten mit dem Messer. Dessen Kollegin schießt und trifft die Frau tödlich.
Februar 2001: Ein 46 Jahre alter Langzeitarbeitsloser tötet den Direktor des Arbeitsamtes in Verden in Niedersachsen mit 25 Stichen in den Kopf. Die Behörde hatte ihm zuvor die Unterstützung gestrichen.
Mai 1998: Ein 69-Jähriger erschießt aus Rache und Hass auf die Justiz einen 52 Jahre alten Amtsrichter in Essen. Er feuert viermal auf den Richter in dessen Dienstzimmer. Dann tötet er sich selbst. (dpa)