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Auch sein schwarz-weiß gefleckter Kater Theo Jr. ist völlig unbeeindruckt von den hupenden Taxis, den Bussen, knatternden Motorrädern und den Menschenmassen, die sich auf dem holprigen Trottoir vor dem Supermarkt «Zona Sul» in Rios Copacabana-Viertel geschäftig vorbeischieben. Von Genervtsein keine Spur. Im Gegenteil. Alle grüßen das bekannte Duo, wollen den Kater streicheln, der das geduldig und erhaben erträgt, ja schnurrend genießt.
Vor allem Frauen und Kinder sind völlig aus dem Häuschen, wenn das Model Theo Jr. die neueste Katzenmode präsentiert. Mal mit Hut, mal ohne, mal in der Kollektion mit Dinosaurier-Cape und roten Zacken auf dem Rücken oder zu festlichen Anlässen im Smoking. «Olha que liiindo!!! Gatinho!», bekommen Hander und Theo Jr. zigmal am Tag zu hören. «Schau mal wie schön, wie süüüß!!! Das Kätzchen!». Für Hander ist der Kater viel mehr als ein Tier. «Er ist meine Freude. Ich bin gerne mit ihm zusammen, und er ist gerne bei mir», sagt er.
Die beiden sind ein eingespieltes Team. «Wir bieten hier auch eine Art Präsentation, ein Theater, und die Leute mögen das», erzählt der 53-Jährige, der auf dem Bürgersteig keine zwei Meter vor dem Eingang zum Supermarkt jeden Tag von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr mit seiner «ambulanten Boutique» steht und auf einem Betonpfeiler sitzt. Etwa 100 Kleidungsstücke vom eigenen Label «SnobDog» hat er auf seinem kleinen Rollwagen dabei in den Größen Klein, Mittel und Groß. Oben drauf thront dösend Theo Jr., der, wenn er die Nase voll vom Rummel hat, einfach in seine gepolsterte Tasche abtaucht.
Hander entwirft die Kollektionen, seine Mutter, die in Americana im Bundesstaat São Paulo lebt, fertigt sie an. Auch Tops mit Mini- Röcken hängen auf der Stange. Das Modell «Tropa de Elite» (Elitetruppe) ist mit seinen grün-gefleckten Tarnfarben eher etwa was für robustere Katzen.
In Brasilien hoch im Kurs stehen natürlich Katzen- und Hunde-Trikots der Fußball-Clubs und der Nationalmannschaft. «In Brasilien werden die Tiere mit sehr viel Zuneigung behandelt, es sind eigentlich Familienmitglieder», erklärt Hander das besondere Verhältnis zwischen Zwei- und Vierbeinern, das manchen vielleicht affektiert erscheint, in Brasilien aber normal und Ausdruck von «Carinho» ist, der Herzenswärme.
Hander und Theo Jr. leben in der Favela Pavão-Pavãozinho, die zwischen den Glitzervierteln Copacabana und Ipanema liegt. Dorthin führen verwinkelte Gassen, steile Treppen, man kann aber auch einen kleinen Schienen-Aufzug nehmen. In seiner Wohnung in der untersten Etage der Avenida Pavãozinho 43 hängen, von Plastikfolien geschützt, die Kollektionen auf kleinen Bügeln. Direkt dahinter liegt die Küche; der Blick aus dem winzigen Wohnzimmer geht raus auf einen kleinen betonierten Platz mit zwei Torgestängen zum Fußballspielen.
Jeder kennt jeden in der Favela, und Theo Jr. streift durch sein Revier bis nachmittags, wenn es zur Arbeit geht. Hander lebt gerne in Pavão-Pavãozinho. Vom oberen Stockwerk sieht man das Meer und bis zum Copacabana-Strand sind es nur 20 Gehminuten. «Was mich hier nur traurig macht, sind die vielen armen Menschen, die ich sehe. Aber es macht nicht hoffnungslos», sagte Hander, der auch schon sehr schwere Zeiten erlebt hat. Er war vor einigen Jahren drogenabhängig, hat sich aber aus der Sucht in die Freiheit gekämpft. «Auch die Katze hat mir geholfen, die innere Leere zu überwinden.»
Diesen Beistand gab ihm Theo Jrs. Vorgänger. Der hieß auch Theo, nur ohne Junior, und dieser Kater hatte auch ein - immer noch aktives - eigenes Blog: «Gato_Theo, Modelo e Ator» (Katze Theo, Model und Schauspieler). Die Fotos zeugen von der Star-Attitüde des am 23. März 2013 gestorbenen Katers. Eine Woche vor dem Tod kam Theo Jr. zu Welt, und auch er hat nach Überzeugung Handers das Potenzial zum Star.
Doch oft muss Hander noch an den Kater Theo denken, seinen Weggefährten, mit dem er durch dick und dünn ging. Er hat ihn in der Favela beerdigt. «Dort hat er einen sensationellen Blick: auf die Christus-Statue, den Park und zum See Lagoa Rodrigo de Freitas», erzählt Hander. Sein Leben und das Leben mit den Katzen könnte der Stoff für ein Buch sein, ähnlich wie der Bestseller «Bob, der Streuner» von James Bowen. Und auch wenn Hander nur zögernd davon spricht: 30 Seiten hat er schon geschrieben von seinem eigenen Buch.
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