Bilderserie vom Rhönradturnen: Petra Reith
Stellt euch vor, ihr dreht einen Teller auf den Rand und schubst ihn dann leicht an. Nun stellt euch einen Jumbo-Teller vor, der knapp drei Zentner wiegt und dessen eiernde Bewegung ihr kontrollieren müsst. Damit dürfte Trainerin Elke wohl entlastet sein. Und ich sollte mich ja nur festhalten bei der großen Spirale, bei der ein Rhönradturner mit einem Neigungswinkel von zirka 60 Grad über den Hallenboden »tellert«.
(Später, bei der kleineren, flacheren Variante, kippt mich Elke einfach nach vorne. Einmal schlage ich direkt auf; beim zweiten Versuch schaffe ich durch hilflose Hula-Hoop-Bewegungen geschätzte zwei Sekunden.)
Dabei hat es nach dem ausgiebigem Aufwärmen ganz leicht angefangen. Elkes sechsjährige Tochter Leni und die ein Jahr jüngere Luna haben mir zum Einstieg gelernt, im Rhönrad vorwärts zu laufen.
Vorhang auf für die Hauptrolle!
Vorgeführt haben es die beiden natürlich nicht in dem Riesenrad, in dem ich die ersten Gehversuche mache. Um meinen Doppelreifen mit einem Durchmesser von 2,25 Metern in die Halle zu bekommen, mussten wir eigens die Trennwand zu den Volleyball-Nachbarn hochfahren, weil es nur in deren Abschnitt einen passenden Eingang gibt.
Jugendsport Rhönradturnen
Bei meiner Körpergröße hätte das Rhönrad durchaus noch riesiger sein dürfen. Während Trainerin Elke meine Füße auf den beiden Brettsprossen festschnallt, mache ich mich bei angewinkelten Armen mit den Handgriffen vertraut. »Man muss die Bindungen gut festmachen, sonst fällt man raus«, hat mir der achtjährige Nils, der einzige Junge der Gruppe, erklärt. Die zwei Jahre ältere Lisa hat mir vor der ersten Umdrehung geraten: »Auch beim Hochgehen musst du von Kopf bis Fuß angespannt bleiben!«
Leichter gesagt als getan. Zwar kostet es mich wenig Überwindung, ins Rollen zu kommen, doch über Kopf verkrampfe ich. Statt auf die Bindung an den Füßen zu vertrauen, klammern meine Hände immer fester. Statt geradeaus zu schauen, geht mein Blick zum Boden. Die ruckartigen Bewegungen drohen das Rad zu kippen, Elke muss zur Sicherheit eingreifen.
Als ich ihr am Tag danach von einem heftigen Muskelkater berichte, erklärt sie in ihrer Antwortmail, »dass du dich bei der Seitstellung ständig auf die Arme gestützt hast, was eigentlich nicht nötig ist, weil man sich korrekterweise mit den Füßen und der Körperspannung hält.«
Wie das Geradeturnen - so heißt die Disziplin, bei der das Rhönrad auf beiden Reifen seitwärts rollt - richtig geht, haben mir beim Training die neunjährige Eva und die drei Jahre ältere Joy-Marie gezeigt. Spagate, Brücken und Umschwünge: Bei ihren Kür-Übungen bleiben die beiden nicht in den Bindungen stehen; turnen nicht nur im, sondern auch auf dem sich drehenden Sportgerät. »Am Anfang hatte ich schon Angst, jetzt nicht mehr«, sagt Joy-Marie, die sowohl beim TuS Leider als auch beim TuS Damm trainiert.
Die weiteren Rhönrad-Disziplinen sind das eingangs erwähnte Spiraleturnen und der Sprung, bei dem der Turner sich auf das rollende Rad ziehen lässt und von dort zum Beispiel einen Salto auf einen Mattenberg macht.
Lieber fahre ich zum Abschluss ein paar Runden Riesenrad. Und weil Trainerin Elke und Mitfahrerin Hanna den Dreh raus haben, genieße ich auf einer Sprosse sitzend die Aussicht. Ganz unbeschwert!
Thorsten Schmitt