Denn zum Halten sind sie da

Torwarttrainer: Der Mespelbrunner Horst Neubauer betreut bei Eintracht Frankfurt die Nachwuchskeeper - Er setzt auf Sprungkraft, Reaktion und Selbstbewusstsein

Torwarttrainer Dienstag, 10.07.2012 - 00:00 Uhr

Gu­te Tor­hü­ter ha­ben in Deut­sch­land Tra­di­ti­on. Der mo­der­ne Fuß­ball aber macht vor kei­ner Po­si­ti­on halt - und ruft den Kee­per als ers­ten Spiel­ma­cher aus. Muss das Trai­nings­mot­to al­so lau­ten: Ball­be­herr­schung statt Fau­st­ab­wehr? »Ein tech­nisch be­g­na­de­ter Tor­wart nutzt mir nichts, wenn er je­de zwei­te Flan­ke un­ter­läuft«, hält Horst Neu­bau­er da­ge­gen.

Der 46-jährige Mespelbrunner trainiert im Leistungszentrum des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt die Torhüter von der U 17 bis zur 2. Mannschaft. Neubauer will nicht zurück zu jenen Zeiten, in denen der ehemalige niederländische Spielmacher Ruud Gullit befand: »Ein Torwart ist ein Torwart, weil er nicht Fußball spielen kann.« Doch Horst Neubauer hat bei seiner täglichen Arbeit das Wesentliche im Blick: »Ein Torwart sollte in erster Linie Bälle halten. Dazu braucht er vor allem Sprungkraft und gute Reaktion.«
Und so werden Neubauers U 23-Schützlinge Erman Muratagic und Danny Söder zu Vielfliegern. Vor dem Abheben fordert der 46-Jährige immer wieder »kleine Schritte«. Bei Bällen in die Ecke will er keine Bauchlandungen sehen, sondern seitliche, um schneller zurück auf den Beinen zu sein. Der Torwarttrainer setzt auf Dauerfeuer. »Zuschauer haben schon gesagt, das sei Quatsch; im Spiel komme ja auch nur ein Ball«, berichtet Neubauer, »aber eine Mannschaft macht im Training auch gemeinsame Dauerläufe; wann passiert das bitte im Spiel?«
Der gebürtige Straßbessenbacher erhöht die Schwierigkeit: Mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen steht der 19-jährige Söder in der Tormitte. Nach Neubauers Kommando bleiben ihm nur Sekundenbruchteile, um die Flugbahn des Balls zu erfassen. Kleine Schritte, großer Sprung, Söder lenkt die Kugel mit den Fingerspitzen um den Pfosten.
1,84 Meter misst der 19-Jährige, der zwei Jahre ältere Muratagic drei Zentimeter weniger. »Torhüter müssen keine Hünen sein«, sagt Horst Neubauer. Nicht nur Sprungkraft und gute Reaktion machen einen Keeper größer, sondern auch »das Selbstbewusstsein. Das ist das A und O für einen Torwart.«
Der langjährige Keeper des 1. FC Kaiserslautern, Gerry Ehrmann, hat es vor drei Jahren in einem Interview mit dem Internetportal »torwart.de« ganz ähnlich formuliert: »Selbstbewusstsein ist für einen Torhüter unerlässlich.« Der gebürtigen Tauberbischofsheimer, der seit 1996 die Nachwuchskeeper der Roten Teufel trainiert, führt Neubauer als Vorbild an. Aus Ehrmanns Talentschmiede stammen unter anderem Roman Weidenfeller und Tim Wiese. In dem Interview sagt er weiter: »Im Training muss man sich die Sicherheit holen, das Gefühl, dass im Spiel nichts passieren kann.«
Deshalb spare er auch nicht mit Lob, wenn es angebracht sei, sagt Horst Neubauer. »Hast du heute einen Magnet im Handschuh?«, hat er gerade seinen Schützling Muratagic gefragt, nachdem dieser eine Serie scharf geschossener Bälle erhechtet hat.
Aller Zuspruch, alle wohlüberlegten Übungen können einen Faktor nicht ausschalten: »Es gehört viel Glück dazu; manchmal ist es einfach eine Sache von Zentimetern«, sagt Neubauer. Wenn ständig mehr fehlt, läuft etwas falsch. Das gilt besonders für das laut Neubauer am weitesten verbreitete Torwart-Defizit: »Von der untersten bis zur höchsten Klasse ist es die Strafraumbeherrschung.« Seine Schützlinge sollen Flanken fangen. Und Bälle halten. Dann ist Horst Neubauer zufrieden. Eine ganze Mannschaft will er gar nicht trainieren: »Ich ärgere mich lieber mit drei Spielern herum als mit 15.«
Thorsten Schmitt