"Runter mit den Spieler-Gehältern!"

Rainer Koch Der BFV-Präsident zum Verhältnis zwischen Profi- und Amateurfußball, zum Thema Doping und vieles mehr

\"Runter mit den Spieler-Gehältern!\" Fußball Samstag, 28.02.2009 - 00:00 Uhr

Doping, das sonntägliche 15.30-Uhr-Spiel in der Fußball-Bundesliga, die Berufungsverhandlung mit Felix Magath, die Kritik an den Schiedsrichtern. Es gibt viele heiße Themen im Fußball, auch für Dr. Rainer Koch.

Herr Koch, wird im deutschen Fußball gedopt?
Ich hoffe nein! Aber ich bin Strafrichter von Beruf, weiß sehr wohl, dass Gesetze mitunter gebrochen werden. Wenn gedopt werden würde, dann müsste dies natürlich konsequent bestraft werden. Keine Lappalie, weil in wenigen Minuten das Ergebnis manipuliert werden kann.

Zum Fall Hoffenheim: Viele sagen, wegen einer solchen Lappalie kann es doch keine Sperre geben. Was meinen Sie?
Was beim Spiel konkret passiert ist, muss erst ermittelt werden. Deshalb kann man auch noch keine Aussage treffen über mögliche Sanktionen. Ich habe nur das Protokoll bekommen: "Spieler sind 10 Minuten zu spät zur Kontrolle gekommen, waren bei einer Mannschaftsbesprechung". Warum das so war, weiß ich noch nicht. Im konkreten Fall muss der DFB-Kontrollausschuss erst den Sachverhalt ermitteln, ehe Bewertungen abgegeben werden können. Allgemein ist es aber so, dass die Anti-Doping-Richtlinien exakt eingehalten werden müssen. Die Verfahrensvorschriften sind dazu da, sicher zu stellen, dass nicht manipuliert werden kann ab dem Moment, wenn der einzelne Sportler weiß, dass er kontrolliert werden soll. Deswegen hat die Wada für Verletzungen von Verfahrensvorschriften Sanktionen aufgestellt. Eine Lappalie ist es eben deswegen nicht, weil in wenigen Minuten - wie die Mediziner sagen - das Kontrollergebnis manipuliert werden kann.

Wie geht das Prozedere jetzt weiter?
Die Antidopingkommission hat den Fall abgegeben an den DFB-Kontrollausschuss, sozusagen an die Fußball-Staatsanwaltschaft und diese hat den Auftrag, den genauen Sachverhalt zu ermitteln. Erst einmal festzustellen, warum die Spieler nicht pünktlich erschienen sind. Dann, am Ende der Ermittlungen, muss er entscheiden, ob und mit welchen Anträgen er sich an das DFB-Sportgericht wendet. Im Moment ist die Stunde der Rechtsanwälte und Zeugenbefragungen. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.

Okay, dann wechseln wir das Thema und kommen von den Spielern zu den Schiedsrichtern. Immer wieder wird mehr gegenseitiger Respekt gefordert. Doch am vorigen Wochenende hatten viele Schiedsrichter in der Bundesliga einen schwarzen Tag. Woran liegt's?
Das letzte Fußball-Wochenende war normal: mit hervorragenden Schiedsrichter-Leistungen und auch hin und wieder mit nicht ganz guten Schiedsrichter-Leistungen. Aber auch mit guten Spieler-Leistungen und nicht so guten Spieler-Leistungen. Worum ich immer wieder bitte, dass nicht nur gerechtfertigte Kritik geäußert, sondern auch mal gelobt wird. Es war gerechtfertigt, das nicht gegebene Tor in München zu kritisieren. Es war gerechtfertigt das trotz Foulspiels gegebene Tor in Wolfsburg gegen Hertha zu kritisieren. Es ist aber nicht gerecht, wenn auf der anderen Seite hervorragende Leistungen der Schiedsrichter nicht gesehen werden. Zum Beispiel hat Wolfgang Stark Dortmund gegen Schalke in exzellenter Weise geleitet. Und es ist vor allen Dingen nicht berichtet worden, dass beim Spiel VfB Stuttgart gegen Hoffenheim unser junger Michael Kempter in der 93. Minute den Mut hatte, einen Strafstoß zu pfeifen. Wenn er den nicht gegeben hätte, hätten die Journalisten vielleicht hinterher wieder von einem rabenschwarzen Tag der Schiedsrichter gesprochen. Was ich vermisse ist, dass mit gleichen Härte wie der Schiedsrichter auch der Spieler, der einen Elfmeter haushoch übers Tor schießt, kritisiert wird. Kritik ist gerechtfertigt und wird auch angenommen, ist aber oft überzogen.

Wundert es Sie, wenn angesichts gravierender Fehlentscheidungen Vereinsverantwortliche manchmal austicken? Wir denken da an Felix Magath...
Nein, so etwas geht nicht. Solche Unsportlichkeiten sind nicht akzeptabel. Ich bin darauf aus, dass Schiedsrichter genauso respektvoll behandelt werden wie die anderen Beteiligten im Fußball. Es ist unbestritten, dass Fehler passiert sind. Da wird auch nichts beschönigt, von mir schon gar nicht. Aber worauf Schiedsrichter Anspruch haben, ist, dass respektvoll mit ihnen umgegangen wird. Dass man auch in einer Krisensituation bereit ist zu akzeptieren, dass Fehler im Fußball unvermeidbar sind. Das gilt für den Elfmeterschützen wie auch für den Schiedsrichter.

Mein Verhältnis zu Felix Magath ist völlig ungestört.

Ihr Verhältnis zum Wolfsburger Trainer? Am Montag ist Berufungsverhandlung ...
Mein Verhältnis zu Felix Magath ist völlig ungestört. Wir haben allerdings eine sehr grundlegende Meinungsverschiedenheit in der Frage, wie Schiedsrichter und Trainer miteinander umzugehen haben. Ich glaube nicht, dass ein Spieler nach 45 Minuten zu Felix Magath kommen kann und sagen kann: Ändere dein Training, das ist heute unter aller Sau. So eine Kommentierung ist unangebracht. Insofern habe ich eine Meinungsverschiedenheit mit Felix Magath, als Person hab ich überhaupt kein Problem mit ihm. Mit geht es darum: Die Schiedsrichter sind kein Freiwild!

Das heißt, Felix Magath muss seine Geldstrafe zahlen?

Das kann ich nicht beurteilen. Das DFB-Bundesgericht muss den Fall am Montag behandeln und wird zu einer gerechten Entscheidung kommen.

Zum Verhältnis zwischen Profi- und Amateurfußball: Viele Fans kritisieren die größere werdende Kluft. Sie haben gesagt, dass "wir uns unterhalb der 3. Liga damit abfinden müssen, dass nur noch reiner Amateurfußball finanzierbar" ist. Wie aber sollen die Vereine der Regionalliga - wie die Aschaffenbuger Viktoria - die Anforderungen seitens des DFB stemmen?
In dem sie nur noch das ausgeben, was sie einnehmen.

Hört sich einfach an...
Ja, so einfach ist das. Schauen Sie sich andere Sportarten an, da müssen die Vereine für alles selbst aufkommen, haben nicht so viele Sponsoren wie im Fußball. Wir müssen uns glücklich schätzen, dass wir so viele Mäzene haben. Aber wir müssen erkennen, dass beispielsweise in der Regionalliga Süd in dieser Saison noch keine einzige Minute im Fernsehen gezeigt worden ist. Dann müssen wir auch akzeptieren, dass es für die Regionalliga keine Fernsehgelder gibt.

Wie soll das Finanzproblem im Amateurfußball gelöst werden? Sie haben wohl auch kein Rezept?

Doch! Runter mit den Geldern für die Spieler! Das ist die Wahrheit. 50 Prozent der Etats unserer Dritt- und Regionalligisten sind Personalkosten für die Spieler.

Das Bundesliga-Sonntagspiel um 15.30 Uhr wird den kleinen Clubs zu schaffen machen. Es gab und gibt erhebliche Proteste, auch im Fußballkreis Aschaffenburg, verbunden mit Schuldzuweisungen Ihrer Person gegenüber. Wie stehen Sie dazu?
Die Unterstellungen, ich hätte nichts für die kleinen Vereine übrig, ärgern mich. Man darf anderer Meinung sein, muss aber den anderen immer respektieren. Ich suche deshalb das Gespräch mit den Vereinsvertretern, werde mich am Samstag mit ihnen unterhalten.

Hätte nicht eine andere Lösung mit der DFL gefunden werden können?

Ich denke nicht. Ich glaube, mit dem Kompromiss des einen Sonntag-Spiels in der Fußball-Bundesliga um 15.30 Uhr können wir gerade noch einverstanden sein. Natürlich ist es für den Amateurfußball, der auf jeden Zuschauer angewiesen ist, problematisch. Aber Sie müssen auch bedenken, welche Möglichkeiten zur Diskussion standen. Überlegen Sie mal: Bei einem Verzicht auf ein Spiel an Sonntagnachmittag hätten der DFL 80 Millionen Euro gefehlt! Diese wären dann aufzufangen gewesen. Hätten wir es zu einem vollständigen Bruch kommen lassen sollen? Das wäre das Schlimmste gewesen, was dem Amateurfußball hätte passieren können. Denn er lebt schließlich auch von einem gut funktionierenden Profifußball. Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch aus Imagegründen. Der Fußball wird seinen Stellenwert nur erhalten, wenn der Spitzensport, sprich die Bundesliga und die Nationalelf, attraktiv ist. Davon profitieren auch die Kleinen. Der Nachwuchsboom wäre ohne den Profifußball nicht möglich!

Der Aufwand - zwei Striche an der Seitenlinie - ist wirklich nicht groß.

Ein weiteres Reizthema ist die Einführung der Coaching Zone. Muss das wirklich bis hinunter in die unterste Klasse sein? Auf Spielgruppentagungen hat es Genörgel gegeben...
Ach, das Genörgel beruht darauf, dass die Coaching Zone nicht richtig erklärt worden ist. Sie ist eigentlich gedacht, um in den untersten Klassen für eine gewisse Entspannung und ein etwas ruhigeres Spielumfeld zu sorgen. Es geht darum, dass sich die Schiedsrichter aufs Spiel konzentrieren können und nicht dauernd damit zu tun haben, überlegen zu müssen, wo ist jetzt wieder der Trainer, der von irgendwo aus reinruft. Es geht um nichts anderes, als den Aufenthaltsbereich der Mannschaftsverantwortlichen auf eine bestimmte Zone zu begrenzen. Mit der Idee soll der kreisende Trainer verhindert werden. Und der Aufwand - zwei Striche an der Seitenlinie - ist wirklich nicht groß.

Die Bayernliga denkt über einen neuen Modus nach: mehr regionale Spiele, eventuell Einführung eines Playoff-Modus. Sind solche lokalen Variationen des Ligasystems überhaupt denkbar? Wenn ja, könnte zum Beispiel die Kreisliga Aschaffenburg auch ein Playoffsystem einführen?
Grundsätzlich ist es so, dass wir im BFV-Vorstand den Anstoß gegeben haben, dass man sich überall überlegt, wie Amateurfußball attraktiver wird. Klar ist: Hier wird nichts von Verbandsseite beschlossen, sondern das muss sich von unten heraus aus dem Vereinsbereich selbst entwickeln. Auf dem Bayernliga-Workshop sind hierzu Ideen entwickelt worden. Und wenn im Kreis Aschaffenburg ein entsprechender Kreis von Vereinsvertretern sich mit dem Kreisspielleiter zusammensetzt und Ideen entwickelt, ist dies okay. Ob dann am Ende etwas dabei herauskommt, ist wieder eine andere Geschichte. Aber wir müssen uns doch immer wieder aufs Neue überlegen, wie wir Amateurfußball attraktiver gestalten können.

Zur Person: Dr. Rainer Koch

Geboren: 18. Dezember 1958 in Kiel.

Familienstand: verheiratet, eine Tochter.

Wohnhaft in Poing seit 1964.

Beruflicher Werdegang: Richter am Oberlandesgericht München, Präsident des BFV.

Laufbahn als aktiver Sportler, Schiedsrichter und Trainer: Bayernliga-Schiedsrichter, Inhaber der Trainer-B-Lizenz, Juniorentrainer bei Falke Markt Schwaben.

Laufbahn als Sport-Funktionär:
Ab 1990 Sportrichter, 1998-2007 DFB-Sportgerichtsvorsitzender, seit 2002 Mitglied der Uefa-Disziplinarkomission, seit 2004 BFV-Präsdient, seit 2007 DFB-Präsidiumsmitglied: Vizepräsident für Rechts- und Sachfragen.

Lieblingsverein: FC Falke Markt Schwaben

Persönlich denkwürdigster Moment im Sport:
"Das erste Fußballspiel, an welches ich mich richtig erinnern kann: das WM-Endspiel 1966 in Wembley. Das habe ich als Siebenjähriger auf einer Almhütte bei Bayrischzell verfolgt."

Hobbys: Familie, Reisen, Fußball.

Politische Einstellung: Koch sitzt als Mitglied der SPD-Fraktion im Poinger Gemeinderat.