Die mysteriöse erste Gelbe Karte

Fußball: Für Röllbach und Mömlingen unsichtbar, doch Sportgericht bestätigt Gelb-Rot-Feldverweis für Florian Rothermich

Die mysteriöse erste Gelbe Karte Fußball Mittwoch, 06.05.2009 - 00:00 Uhr

Es war der 15. März diesen Jahres, als ein Spiel der Bezirksliga Unterfranken 1 zwischen TuS Röllbach und Viktoria Mömlingen angepfiffen wurde. Bis dahin Routine, doch nach 90 Minuten und einem 3:3 ging der Ärger los.

Für Schiedsrichter Julian Greß (Urspringen) eine ganz normale Sache: "Das war ein sehr hektisches Spiel mit drei Elfmetern, drei Platzverweisen - unter anderem auch einen für den Ordnungsdienst - Rudelbildungen und zehn Gelben Karten. In der 68. Minute sprang dem Mömlinger Spieler mit der Nummer 2, Florian Rothermich, der Ball im Strafraum an die Hand. Ich habe auf Handelfmeter entscheiden und ihm Gelb gezeigt. Da der Spieler schon Gelb hatte, musste ich ihm Gelb-Rot zeigen."

"Wir haben eine Besprechung"

Doch in diesem Punkt fielen die Wahrnehmungen der beteiligten Mannschaften anders aus. Auf der Röllbacher Internetseite steht im Artikel vom 17. März folgende Schilderung: "Nach einem Einwurf auf der rechten Angriffsseite berührte der Mömlinger Abwehrspieler den Ball so unglücklich, dass der Schiedsrichter ein weiteres Mal auf den Elfmeterpunkt zeigte und den Unglücksraben mit Gelb-Rot vom Feld verwies (allerdings hatte außer dem Schiedsrichter niemand die erste Verwarnung mitbekommen?!)."

Das hatte auch der Mömlinger Vorsitzende Jörg Graumann bemerkt, der stets alles genau notiert, um einen Spielbericht anzufertigen. "Ich ging nach dem Spiel in die Kabine, um die Spielerpässe abzuholen. Der Schiedsrichter-Beobachter war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls anwesend. Als ich Schiedsrichter Julian Greß bat, er möge mir erklären, wie es sein könnte, dass in einer einzigen Situation der zuvor nicht verwarnte Spieler Rothermich mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen wurde, bekam ich als Antwort nur: Jetzt nicht, wir haben eine Besprechung."

150 Minuten Anhörung

Einen Tag später legte Viktoria Mömlingen Protest gegen die Wertung des Spieles ein, weil der Platzverweis unbegründet sei und Einfluss auf den Ausgang der Partie nahm. So kam es am 27. April zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bezirkssportgericht in Würzburg unter dem Vorsitz von Friedrich Weller. Nach rund 150 Minuten Anhörung der Zeugen, des Schiedsrichters und der beteiligten Mannschaften wurde die Urteilsverkündigung vertagt. Am Dienstag wurde den Mömlingen das Urteil übersandt: Einspruch abgewiesen.

Folgende Begründungen wurden dabei angeführt: "In einer Stellungnahme vom 24. März erläuterte der amtierende Schiedsrichter (Julian Greß) den Sachverhalt wie folgt: Nach einem Handspiel im Strafraum der Gastmannschaft wollte der Schiedsrichter den Spieler Rothermich verwarnen. Nachdem er auf seiner Spielnotizkarte bereits eine Gelbe Karte für den betroffenen Spieler mit der Nummer 2 vermerkt hatte, verwies er den Spieler Rothermich mit Gelb-Rot des Feldes. Der betroffene Spieler verließ daraufhin das Feld, ohne zu reklamieren, so dass beim Schiedsrichter keine Zweifel an seiner Entscheidung aufkamen. Bei der routinemäßigen Abgleichung der persönlichen Strafen mit seinen beiden Schiedsrichter-Assistenten nach Spielende wurden ebenfalls keine Unregelmäßigkeiten festgestellt."

Warum hat also Florian Rothermich nicht reklamiert? "Ich habe nur eine Rote Karte gesehen und mich zwar gewundert, dass ich für so ein harmloses Vergehen vom Platz gestellt wurde, aber ich habe auch gedacht, Handspiel im Strafraum, vielleicht hat er es als Notbremse gesehen. Erst als ich draußen war, habe ich erfahren, dass er mir Gelb-Rot gezeigt haben soll. Ich hatte die Gelbe Karte aber nicht wahrgenommen", erklärt der Betroffene.

Wenn er aber schon diese Gelbe Karte nicht sah, kann es dann nicht auch sein, dass er seine vermeintliche erste Karte übersehen hatte? "Nein, ich habe kein gelb-würdiges Foul begangen, ich wüsste also nicht, wofür ich hätte Gelb sehen sollen. Auch meine Mitspieler und mein Gegenspieler Schreck haben nichts von der ersten Gelben Karte mitbekommen", erläutert Rothermich weiter.

Unterstützung bekommt er da vom Röllbacher Trainer Marc Steenken: "Ich hatte in dieser Situation auch nur die Rote Karte gesehen und gedacht, dass es für so ein Vergehen schon eine harte Strafe wäre. Doch ich freute mich auch über den Strafstoß. Erst danach wurde mir gesagt, dass er Gelb-Rot gezeigt hätte. Allerdings konnte ich mich an keine Gelbe Karte erinnern und habe das vor dem Sportgericht auch ausgesagt."

"In die falsche Zeile geraten"

Doch nun stellte das Sportgericht klar, dass die Aussagen der Schiedsrichter-Assistenten und des Schiedsrichter-Beobachters übereinstimmen, die alle eine Gelbe Karte für den Spieler Rothermich notiert hatten.

Warum steht dann auf dem Spielberichtsbogen, den der Schiedsrichter auch unterschrieben hatte, dass der Spieler Sven Billinger (Nummer 3) des Feldes verwiesen wurde? "Da muss ich einen Fehler eingestehen. Ich bin beim Übertragen der Gelben und Roten Karten in die falsche Zeile geraten. Das ist ein Formfehler. Der Spieler Billinger ist natürlich nicht des Feldes verwiesen worden, sondern der Spieler Rothermich", gesteht Julian Greß einen Fehler ein. Laut Sportgericht ist dies aber lediglich ein Übertragungsfehler und hatte keinen Einfluss auf das Spiel. "Ich bin allerdings dann schon etwas verwundert, dass es wohl bei den Gelben Karten unterschiedliche Meinungen gab. Immerhin hatte der Schiedsrichter-Beobachter wohl zwölf Verwarnungen, der Schiedsrichter aber nur zehn Gelbe Karten notiert. Das ist in der Verhandlung gar nicht erwähnt worden, da der Schiedsrichter-Beobachter im Stau stand und nicht erschien", grübelt Marc Steenken.

Warum wurde nun dem Schiedsrichter mehr Glauben geschenkt, als den sechs Zeugen? Da wieder gibt das Sportgericht Auskunft: "Alle Zeugen sowie der Verfasser bestätigten die Aussagen, dass sie keine Gelbe Karte für den Spieler Rothermich bemerkt hatten. Die mündliche Zeugen-Einvernahme ließ jedoch einige Gedächtnislücken im Hinblick auf die persönlichen Strafen im Spielverlauf und für einige Mitspieler erkennen. Im vorliegenden Fall trug der Schiedsrichter glaubhaft vor, dass er den Spieler Rothermich regelkonform mit Gelb-Rot des Feldes verwies. Dies konnte anhand einer Kopie seiner Spielnotizkarte nachvollzogen werden."

Jörg Grauman brachte diese Formulierung auf: "Für mich werden wir also als Lügner oder als Menschen mit Gedächtnislücken dargestellt. Der Schiedsrichter aber konnte sich auf die Nachfrage, wann er denn die Gelbe Karte für unseren Spieler gezeigt hätte, auch nur erinnern, dass es wohl in der zweiten Halbzeit gewesen sein muss."  (Carsten Maier)