»Wir Spartengewerkschaften gehen verantwortungsbewusst mit unserem Streikrecht um«, betonte der GDL-Sprecher. Seine Gewerkschaft und die Pilotenvereinigung Cockpit seien »in Gesprächen, in Abstimmungen drin«. Ein Cockpit-Sprecher wollte sich zur Streikplanung nicht detailliert äußern. »Wir tun möglichst viel dafür, dass die Last für die Passagiere möglichst gering gehalten wird«, versprach er aber.
Seit Monaten Streit
Im Tarifstreit mit der Lufthansa hatte Cockpit am vergangenen Freitag weitere Streiks angekündigt. Bereits im April hatten die Piloten drei Tage lang die Arbeit niedergelegt, 3800 Flüge waren damals ausgefallen. Die Lufthansa hatte der Ausstand nach eigenen Angaben über 60 Millionen Euro gekostet. Haupt-Streitpunkt in der schon Monate dauernden Auseinandersetzung ist die Übergangsversorgung für Piloten, die in den Frühruhestand treten.
Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn hat die GDL ebenfalls mit Streiks gedroht, aber noch keine konkreten Ankündigungen gemacht. Ein erstes Angebot der Arbeitgeberseite hatte sie in der vergangenen Woche abgelehnt. Die Tarifverhandlungen werden durch die Konkurrenz der GDL mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kompliziert; Gespräche über eine Festlegung der Zuständigkeiten und ein mögliches Kooperationsabkommen sind gescheitert. Für Mittwoch, 27. August, hat die GDL einen Protesttag in Fulda angekündigt.
Angesichts möglicher Streiks bei der Lufthansa und der Bahn werden die Forderungen nach einer gesetzlichen Lösung lauter. »Wir brauchen die gesetzlich garantierte Tarifeinheit, um den Missbrauch der Tarifautonomie zur Durchsetzung von Einzelinteressen zu verhindern«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemiearbeitgeberverbandes BAVC, Klaus-Peter Stiller, dem »Handelsblatt« (Montag). Werde die Tarifeinheit nicht gesetzlich festgeschrieben, drohe »ein Verlust von Solidarität, Wettbewerbsfähigkeit und positiver sozialpartnerschaftlicher Gestaltungsmacht«.
Die Bundesregierung will die Tarifeinheit neu regeln. Erst am Wochenende hatte die SPD-Spitze bei einer Klausurtagung das Gesetz zur Tarifeinheit zu einem vorrangigen Thema für die Arbeit in der Regierungskoalition mit CDU/CSU erhoben.
Mit dem verfassungsrechtlich heiklen Vorhaben soll die zersplitterte Tariflandschaft wieder geeint und dem Grundsatz »Ein Betrieb - ein Tarifvertrag« wieder Geltung verschafft werden. Das ist rechtlich allerdings heikel, denn eine solche Regelung kollidiert mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit, auf das Spartengewerkschaften wie die Pilotenvereinigung Cockpit oder die Lokführergewerkschaft GDL pochen.
Für Schlichtungsverfahren
Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing rät zu einer speziellen Regelung für Arbeitskämpfe in wichtigen Bereichen wie dem Verkehrs- oder Gesundheitssektor. So könnte solchen Streiks ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vorgeschaltet werden. Zudem würde die Pflicht, Streiktermine anzukündigen, es Bahn oder Lufthansa erleichtern, Ersatz zu organisieren oder Kunden zu warnen. »Eine solche Regelung würde die meisten Probleme effektiv lösen und zugleich einen deutlich geringeren Eingriff in das bestehende System darstellen als eine generelle Regelung der Tarifeinheit«, sagte Thüsing dem »Handelsblatt«. > Seiten 2 und 4
Agence France-Presse (AFP)
Hintergrund: Motive für Streiks bei Bahn und Lufthansa
Worum geht es bei den angedrohten Streiks? Zum einen um mehr Geld für die Eisenbahner. Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) will außerdem kürzere Arbeitszeiten und an einigen Stellen bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Zum anderen geht es darum, welche Gewerkschaft in Tarifverhandlungen welche Berufsgruppen bei der Bahn vertritt. Bis Ende Juni hat das ein Grundlagentarifvertrag geregelt. Der gilt jetzt nicht mehr.
In dem Konflikt zwischen Lufthansa und der Vereinigung Cockpit geht es um die Übergangsrenten für die 5400 Piloten bei Lufthansa, Germanwings und Lufthansa Cargo. Im Schnitt gehen Lufthansa-Kapitäne mit knapp 59 Jahren in den vom Unternehmen bezahlten Vorruhestand. Lufthansa will das Durchschnitts-Eintrittsalter wegen der Kosten und der auf 65 Jahre hochgesetzten Altersgrenze für Verkehrs᠆piloten auf 61 Jahre anheben. (Deutsche Presse-Agentur (DPA))