Demnach beherrschen die radikalen Dschihadisten inzwischen über die Hälfte des Staats Syrien - zu weiten Strecken Wüste zwar, aber eben von ihnen kontrolliertes Territorium - und gehen im Irak dort in die Offensive, wo sie wenig bis keinen Widerstand fürchten müssen.
Die Hilflosigkeit der Anti-IS-Allianz drückt sich mittlerweile vor allem im Entsetzen über die Zerstörungslust der Terroristen von historisch bedeutsamen Stätten aus: Zu Recht beklagt wird der Verlust assyrischen Kulturguts im Irak, zu Recht befürchtet wird die Vernichtung der antiken Wüstenstadt Palmyra in Syrien. Aber dass IS neben den von ihr so bezeichneten Kultstätten »Ungläubiger« auch gleich diese mit ausrottet: Damit scheint sich die Koalition um die USA abgefunden zu haben.
Denn Menschenleben spielen im Nahen Osten längst keine Rolle mehr. Die irakische Regierung lässt sich im Kampf gegen IS von der Milizengruppe Haschd al-Schaabi unterstützen - und die gilt als den Islamisten vergleichbar brutal und menschenverachtend: Ihr Anführer Hadi al-Amiri - zeitweise irakischer Verkehrsminister - sonnt sich in dem Ruf, Rivalen und Andersgläubigen gerne die Schädel bei lebendigem Leib mit einer Bohrmaschine zu öffnen.
So herzlos das klingen mag: Letztlich ist es vollkommen egal für die Zukunft Syriens oder des Irak, ob IS in der Defensive oder auf dem Vormarsch ist - es gibt keine Perspektiven für diese Region, solange sich die islamischen Konfessionen der Schiiten und Sunniten unversöhnlich gegenüberstehen und nur in ihrem Hass auf Nicht-Muslime geeint sind. Indem die globalen Herrscher USA und Russland den Konflikt mehr oder weniger offen kräftig schüren, wird immer wahrscheinlicher, dass das einstige Zweistromland zu einer lebensfeindlichen Wüstenei wird.
Seiner Geschichte jedenfalls wird dieser kulturelle Schatz konsequent beraubt - kein Zufall: Denn damit sind sein Geist und seine Seele und so die Identität der Menschen genommen. Welche Hoffnung aber gibt es noch, wenn Ungeist und Seelenlosigkeit triumphieren?

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