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Sehr viele Menschen auf dieser Welt haben diese Möglichkeit erst gar nicht: jene in Nigeria beispielsweise, die beim Aufenthalt im öffentlichen Raum stets Bombenanschläge fürchten müssen; jene in Syrien, im Irak, in Afghanistan sowieso nicht, weil seit Jahren nicht Normalität, sondern ständiger Terror ihr Leben prägt; jene in der Ukraine, die - egal, auf welcher Seite - keine Zukunft für sich sehen; jene in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso und auf einer namenlosen Fähre vor der Südwestküste Südkoreas - vom Feuer bedroht die einen, vom Ertrinken die anderen.
Die Liste lässt sich fortsetzen, letztlich taugt sie nur als Nachweis, dass »menschliches Elende« - wie es der Barockdichter Andreas Gryphius wie ein ehernes Gesetz formulierte - für die Mehrheit der Menschen Schicksal zu sein scheint: ein Leben zu leben - freiwillig oder gezwungen - in einem »Wohnhaus grimmer Schmerzen«.
Blenden wir in der Spaßgesellschaft deshalb den Sinn von Tagen wie Karfreitag aus? Scheuen wir die Besinnung, weil wir die Stille nicht ertragen, und mit ihr die Erkenntnis, als Einzelner scheinbar so unbedeutend zu sein in diesem Universum? Können wir nicht einmal einen einzigen Tag darauf verzichten unterhalten zu werden statt unseren Geist anzuregen? Müssen wir Andersdenkende vor den Kopf stoßen, nur um auf Rechte zu beharren, die ansonsten das ganze Jahr über gelten?
Es gibt zweifellos wichtigere Themen zu debattieren in und zwischen Gesellschaften, Religionen und Kulturen. Nur suchen wir oft genug nicht einmal unseren eigenen Frieden - so, als ob wir uns davor fürchteten, ihn zu finden. Es ist tröstlich, wenn unsere täglichen Probleme nicht solche des nackten Überlebens sind, sondern der luxuriösen Art. Und doch ist es erschreckend, dass eben diese Luxusprobleme mehr und mehr unseren Lebensinhalt füllen.
Stefan Reis
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