Ein Ort im Festspielfieber
Ein ganzer Ort, der für dieses Schauspiel, das am Freitag Premiere hatte, alles gibt und der sich wirklich reinhängt. Ein Ort, bei dem zu Zeiten der Festspiele die eine Hälfte auf der Bühne oder hinter den Kulissen wirkt - und die andere Hälfte im Publikum sitzt und zuschaut - zumindest macht es den Anschein. Das ist wahre Begeisterung.
Und die macht sich nicht allein daran fest, dass fast jeder den anderen kennt, der plötzlich in Maske und Kostüm die Bühne in der Ruine betritt - sondern die ganz eigene Faszination kann auch jener spüren, der völlig unvoreingenommen dort hinkommt und das alles zum ersten Mal erlebt. Natürlich gibt es das auch in Variation in Dammbach (Kreis Aschaffenburg) bei den dortigen Passionsspielen, aber die Freudenburg-Festspiele haben einen ganz eigenen Reiz. Die ganze Ruine wird ins Spiel einbezogen, die Szenen spielen auf vier verschiedenen Ebenen. Und über allen Köpfen kreisen kreischende Falken am Himmel. Kann es einen schöneren Platz geben?
Dieses Jahr hat Autor und Regisseur Boris Wagner »Burgunderblut« in den alten Mauern inszeniert. Die Geschichte des Drachentöters Siegfried, der ins Reich des Burgunderkönigs Gunther kommt und ihn herausfordern will, sich aber stattdessen in Gunthers Schwester Kriemhild verliebt. Grundlage ist die Nibelungensage.
Um aber die Hand der holden Prinzessin zu bekommen, muss Siegfried seinem künftigen Schwager Gunter dabei helfen, die Gunst der Königin Brunhild im fernen Island zu gewinnen - eine Aufgabe, an der schon zuvor viele Bewerber tödlich gescheitert sind.
Natürlich sind es Laiendarsteller, die die Geschichte spielen. Es gibt richtig gute und weniger begabte darunter, aber das macht auch den Reiz der Aufführung aus. Sie geben gar nicht vor, ausgebildete Schauspieler zu sein, auch ihren Dialekt hört man teilweise noch ungeschliffen.
Aber sie wirken auf eine Art authentisch und echt - und sind damit meilenweit von einer falschen Scheinwelt wie beispielsweise in einer TV-Show wie »Deutschland sucht den Superstar« entfernt. Das ist erfrischend anders und wohltuend normal. Der Stolz, die Freude darüber, wieder ein Stück auf die Beine gestellt zu haben, überwiegt - und ist überdies auch für Nicht-Freudenburg-Kundige spürbar und nachvollziehbar.
Sie spielen und erzählen eine Geschichte und sie unterhalten auf das Beste. Es wird gekämpft, geliebt, gehasst, intrigiert und gestorben. Siegfried muss am Ende des ersten Teils sein Leben lassen - erstochen mit seinem eigenen Schwert von Hagen von Tronje aus dem Hinterhalt.
Und geheiratet wird nicht aus Liebe, sondern aus politischem Kalkül heraus. Diese bittere Erkenntnis nutzt die verwitwete Kriemhild allerdings zu ihrem Vorteil, als sie in die Ehe mit dem Hunnenkönig Attila einwilligt. Sie wittert ihre Chance auf Rache an dem ihr verhassten Hagen, der ihr den Mann genommen hat.
Auftakt zum Gemetzel
Sie stiftet ihre Zofe Vasina an, den Bruder ihres neuen Gemahls zu verführen - damit dieser ihren ermordeten Mann rächt. Und Blödelin tut wie geheißen, als der burgundische Hof in der Burg Attilas einzieht. Es ist der Anfang vom Ende, der Auftakt zu einem gnadenlosen Gemetzel, das am Ende kaum einer überlebt. Da fliegen die Schwerter und die Dolche, Mann gegen Mann, Frau gegen Mann.
Es ist die uralte Geschichte um Liebe und Tod. »Burgunderblut« ist die gelungene Unterhaltung für einen lauen Sommerabend auf einer Burg hoch über dem Main. Dort, wo es sich vor Jahrhunderten genauso zugetragen haben könnte - und wo auch heute noch Menschen mit genau denselben Problemen zu kämpfen haben.
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»Burgunderblut«
: 3., 4., 5., 10., 11. Juli, jeweils 20.30 Uhr; Tickets unter Telefon 9375/920099
Bettina Kneller
Hintergrund: Die Nibelungensage
Das Stück »Burgunderblut« in Freudenberg beruht auf der Nibelungensage. Sie ist eine im deutschen und skandinavischen weit verbreitete, von den Germanen stammende Heldensage, die über Jahrhunderte in zahlreichen voneinander abweichenden Fassungen überliefert ist. Ihre bekannteste schriftliche Fixierung ist das mittelhochdeutsche Nibelungenlied (um 1200, wahrscheinlich aus dem Raum Passau). Die Sage schlägt sich in mittelalter᠆lichen Quellen außer im Nibelungenlied in der Saga von Dietrich von Bern (Thidrekssaga, altnordisch mit niederdeutschen Quellen, etwa 1250) und zahlreichen Liedern der Liederedda nieder. (Bettina Kneller)