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Das harte Leben im Berliner Untergrund der 30er-Jahre passt gut zur rauen Stimme von Ben Becker: Vielleicht hat sich der Schauspieler deshalb entschieden, dem Roman »Blutsbrüder« sein Markenzeichen zu leihen. Am 5. März liest Becker in der Aschaffenburger Stadthalle aus dem Buch, das 1932 von Ernst Haffner geschrieben und anschließend von den Nazis verboten worden ist. Im Interview erzählt Becker, wie viel von ihm selbst in diesem literarischen Abend steckt.
Den Roman, aus dem Sie vorlesen, haben die Nazis verbrennen lassen. Was war für die Nationalsozialisten anstößig an der Geschichte der »Blutsbrüder«?
Das Buch zeigt ohne Umschweife eine doch sehr harte Realität - und geht gleichzeitig sehr liebevoll, manchmal pathetisch oder sogar romantisch mit seinen jungen Protagonisten um, die von Diebereien, Gaunereien und Prostitution leben. Das sind alles Dinge, die durfte es unter dem Nationalsozialismus nicht geben. Ebenso wenig, wie es homosexuelle Annäherungen geben durfte. Diese gab es aber zu der Zeit unter Jugendlichen zwangsläufig - man spricht auch von Notgemeinschaften. Wenn man solche Dinge literarisch ausdrückte, dann fanden das die Nazis nicht komisch.
Sie haben schon das Hörbuch der »Blutsbrüder« eingelesen, nun bringen Sie den Text auf die Bühne. Wie viel von Ihnen selbst steckt da drin?
Grundsätzlich nehme ich einen Text ernst, wenn ich ihn in Händen halte. Ich bin diesmal allein unterwegs, ich stehe zum ersten Mal ohne Musiker auf der Bühne. Ich habe trotzdem ein bisschen Musik dabei und ein Bühnenbild. Ich komme ja aus dem Theater und kann meine Finger nicht ganz davon lassen! Ich finde es schön, wenn ich meine Fantasie einsetzen kann und Freiraum für Gestaltung habe. Das macht mir Spaß - und das ist auch eine künstlerische Äußerung meinerseits, durch die ich mich dem Publikum mitteile.
Wie sah der Weg vom Buch bis zur Lesung aus?
Es ist unheimlich schwer, einen Roman mit 260 Seiten auf gut 35 Din-A4-Seiten zusammenzustreichen, so dass das noch Sinn macht. Ich wollte selbst aussuchen, welche Stellen ich lese. Entweder sagen die Leute hinterher, okay, ich weiß jetzt, worum es geht - oder sie bekommen Lust auf das ganze Buch. Mir bereitet es große Freude, so etwas zu verdichten und so zu gestalten, dass es tatsächlich funktioniert. Das ist Arbeit, da muss man sich immer wieder drüber setzen.
Sie scheinen ein Faible für fast vergessene Texte zu haben: Aktuell bringen sie auch Gedichte von Paul Celan auf die Bühne. Sehen Sie sich als Literaturvermittler?
Ein bisschen sehe ich mich auch als Literaturvermittler. Und ich versuche vor allen Dingen, nicht unbedingt dem Mainstream zu entsprechen. In dieser Rolle fühle ich mich auch ganz wohl. Das Tolle ist, dass es tatsächlich funktioniert - dass die Leute aufhorchen und interessiert sind. Paul Celan heute noch mal eine Bühne zu geben, bereitet mir Freude.
Ihr künstlerisches Schaffen ist vielseitig: Sie schreiben Kinderbücher, machen Musik, arbeiten als Schauspieler. Was treibt Sie an?
Ich bin halt Künstler. Und Geschichtenerzähler, wenn man so will - ob ich das jetzt im Zusammenhang mit Musik mache oder ob ich ein Bild male. Aber es geht immer nur eins nach dem anderen. Ich habe mich auch entschieden, mich nicht voll und ganz dem Fernsehen hinzugeben, das interessiert mich nicht. Mich interessiert mein Beruf des Künstlers, des mich-mitteilens. Ich will Geschichten erzählen, die mich interessieren, in welcher Form auch immer.
Ist Ihnen das geschriebene oder gesprochene Wort im Moment wichtiger als die Bühne?
Ich bin ja auf der Bühne, wenn ich vorlese! Und ich spiele auch immer wieder Theater, ich bin nur nicht fest engagiert. Ich mache auch hin und wieder einen Film - aber Sie werden mich nicht bei »Alarm für Cobra 11« im BMW sitzen sehen. Ich verurteile das nicht, das kann jeder machen - aber ich habe das Glück, dass ich das nicht machen muss. Hier und da kriege ich ein gutes Filmangebot und dann drehe ich auch mit ganzem Herzen. Das habe ich auch gerade hinter mir.
Worauf dürfen wir uns freuen?
Auf einen Film mit Katja Riemann, »Der Wolf und die sieben Geiseln«. Schönes Werk, tolles Fernsehen, manchmal ist so was möglich. Da bin ich froh, dass ich so etwas machen kann. Aber letztlich komme ich von der Bühne und würde auch nie die Finger davon lassen.
Wenn Sie auf der Bühne stehen, tragen Sie stets einen Totenkopfring. Das wird wahrscheinlich auch in Aschaffenburg so sein?
Ja.
Ihre Zuhörer werden sich fragen, wofür dieser Ring steht.
Ich trage diesen Ring schon seit 16 Jahren - ich wollte immer einen schönen Totenkopfring wie Keith Richards tragen, den ich sehr verehre. Ich hatte einen Freund, der so einen Ring hatte, da war ich immer scharf drauf. Irgendwann hat er den abgenommen und ihn mir gegeben.
Ich wusste gar nicht warum - aber drei Wochen später war mein Freund tot. Er wusste, dass er sterben würde. Für mich ist es eine große Ehre, diesen Ring zu tragen, weil ich diesen Mann sehr geschätzt habe. Der Ring ist Ausdruck meiner persönlichen Freiheit und er weist aus, dass ich die Musik liebe - Rock’n’Roll eben.
bBen Becker liest aus »Blutsbrüder«, 5. März, 20 Uhr, Stadthalle Aschaffenburg. Tickets: www.main-netz.de und unter service/tickets-eintrittskarten
Moni Münch
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