Fünf Wochen lang sind in der Obernburger Kochsmühle weit über 200 Werke eines Künstlers zu sehen, dessen Name immer wieder zu Verwechslungen führt: Wilhelm M. Busch wurde 1908 in Breslau geboren, gilt bei Kennern und Kollegen wie Otto Ruths als der »wohl bedeutendste innerhalb der kleinen Gilde der deutschen Illustratoren« und fand nach 1945 endlich die Anerkennung, die er verdiente.
1984 verlieh ihm der Hamburger Senat der Professorentitel, drei Jahre später starb er in Hamburg im Alter von 77 Jahren. Dass ihm sein Vater - selbst ein bekannter Maler - den Vornamen Wilhelm gab, um 1908, dem Todesjahr des humoristischen Zeichners und Dichters, seine Verehrung des Vaters von »Max und Moritz« und der »Frommen Helene« zu Ausdruck zu bringen, bürdete er seinem Sohn eine schwere Last auf. Das verrieten in der Kochsmühle die beiden Söhne von Wilhelm M. Busch, Thomas und Reinhard.
Unter Verwechslung gelitten
Ihr Vater litt spürbar unter dieser Namensgleichheit und unter den häufigen Verwechslungen. Daran konnte auch das »M.« für Martin als zweiten Vornamen nicht viel ändern.
Bei der Vernissage am Donnerstagabend tat der Kunsthistoriker Bernd Küster, Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel alles, um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Wer die Kochsmühle nicht besucht, um humoristische Zeichnungen zu sehen, wird jedenfalls voll auf seine Kosten kommen. Die Ausstellung zeigt einen großen Querschnitt durch das facettenreiche, technisch brillante Werk von Wilhelm M. Busch, zeigt seine Presseillustrationen zu »Dantons Tod« und zum Hörspiel »Schritte im Nebel«, die Bilder aus der St. Pauli-Serie, mit der Busch das Milieu authentisch und mit spürbarem Interesse am Menschen auf Papier gebannt hat. Der Blick auf den Menschen in all seinen Existenzformen ist tatsächlich zentral bei den Werken in ihren zahllosen Techniken, Farben und Formen.
Küster formulierte: »Das Geheimnis ist: Busch liebte die Menschen.« Die größte Stärke des Künstlers lassen die eindrucksvollen Zeichnungen mit Zirkusthemen ahnen: Busch speicherte Szenen, Bewegungsabläufe und Konstellationen, die er einmal gesehen hatte, so exakt ab, dass er sie später höchst authentisch zeichnen und malen konnte - eine Fähigkeit, die - so Küster - vielleicht nur noch Buschs großes Vorbild Adolf von Menzel besaß. Das Wichtigste aber in Buschs Werk, auch in der Obernburger Ausstellung: seine Illustrationen. Insgesamt dokumentiert das Busch-Archiv in Hamburg rund 15 000 Bilder, die meisten davon Illustrationen.
Wie der Künstler Werke der Weltliteratur mit seinen Bildern kongenial interpretiert hat, dürfte tatsächlich einmalig sein. Große Verleger wie Ernst Rowohlt erkannten sehr schnell Buschs Fähigkeit, mit traumwandlerischer Sicherheit den Kern von Literatur bildhaft umzusetzen.
Mit den illustrierten Ausgaben der Buchgemeinschaft Bertelsmann erreichten Buschs Zeichnungen breite Öffentlichkeitswirkung. Tucholskys »Schloss Gripsholm«, die 20 Bände von Emile Zolas »Le Rougon Marquart«, Gustav Flauberts »Madame Bovary« und Casanovas »Geschichte meines Lebens« zählen zu den wichtigsten Werken, die Busch illustriert hat.
Buchausgaben und Skizzen
Die Buchausgaben sind in Obernburg genau wie die eindrucksvollen Skizzenbücher in Glasvitrinen zu sehen, die Originalzeichnungen können an den Wänden bewundert werden. Buschs »phänomenale Beherrschung der menschlichen Anatomie«, von der Küster sprach, ist immer wieder zu erkennen, auch und gerade in höchst lebendigen Zirkusbildern, einer Welt, die Busch zeitlebens fasziniert hat.
b»Wilhelm M. Busch, Zeichner und Illustrator«; Bis 27. November; Freitag bis Samstag von 16 bis 18 Uhr, an Sonn- u. Feiertagen 14 bis 18 Uhr.
HEINZ LINDUSCHKA