»Preise sind Förderinstrumente«
»Preise sind eines der besten Förderinstrumente für Autoren«, sagt Regina Wyrwoll, die Redakteurin des Handbuchs. »Allerdings ist es nicht so einfach, in den Zirkus reinzukommen.« Wyrwoll nennt es die »Preis-Pyramide«: oben wenige bereits arrivierte Autoren, die häufig ausgezeichnet werden, unten viele Unbekannte, die das Geld dringender bräuchten. Hat man die erste Auszeichnung in der Tasche, steigt man auf in den Kreis der Preis-Würdigen - und wird auch künftig bedacht.
Der Grund für den Schneeballeffekt: Es gebe nur wenige Kritiker und Juroren, »und die orientieren sich aneinander«. Auch für den, der einen neuen Preis auslobe, sei es von Vorteil, einen bekannten Autor zu wählen. So werde der Preis - und damit der Stifter - schneller bekannt. Und Wyrwoll sieht noch einen weiteren Trend: Preisvergaben würden immer mehr zum »Event« wie etwa beim Deutschen Buchpreis, der öffentlichkeitswirksam in einem mehrstufigen Verfahren vergeben wird.
»Literaturpreise schaffen Sichtbarkeit und ordnen ein«, sagt die Sprecherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Claudia Paul, »sie nützen ganz Vielen«: den Autoren, denen sie helfen, ihren Lebensunterhalt zu sichern; den Verlagen und Buchhandlungen, die damit werben können; den Lesern, die so auf ein Buch aufmerksam werden, das sie sonst vielleicht übersehen hätten; den Auslobenden, die sich damit schmücken können.
»Kein Schriftsteller würde sich beschweren, dass es zu viele Literaturpreise gibt«, sagt Alexander Pfeiffer, Vorsitzender des Landesverbands Hessen im Verband deutscher Schriftsteller. Laut Künstlersozialkasse betrage das Jahresdurchschnittseinkommen der dort versicherten Autoren 12 000 Euro. »Jeder Preis, und sei er noch so gering dotiert, bessert das Gehalt deutlich auf.« Die Frage sei allerdings, ob die Richtigen diese Preise bekämen. Nur für wenige Preise könne man sich als Autor selbst bewerben. Oft sei das wenig lukrativ, aber sehr zeitaufwendig. »Je höher der Preis dotiert ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihn jemand bekommt, der vorher schon andere Preise bekommen hat. Man muss sich hocharbeiten - wie überall im Literaturbetrieb.«
Für den Literaturwissenschaftler Thomas Anz haben Literaturpreise die gleiche Funktion wie die Literaturwissenschaft: »mit Qualitätsmaßstäben den Marktmechanismen etwas entgegenzusetzen«. Mit Hilfe von Juroren werde auf Autoren aufmerksam gemacht, die es sonst vielleicht nicht in die Bestsellerlisten geschafften hätten. Wegen der Vielzahl von Preisen würden viele von ihnen allerdings nicht wahrgenommen.
Die Klage, dass es zu viele Literaturpreise gebe, sei schon sehr alt, erinnert sich der ehemalige Professor der Uni Marburg: Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki beklagte sich schon 1962 über »die Inflation literarischer Ehrungen«. Verglichen mit heute war die Zahl der Preise damals verschwindend gering: 120.
Sandra Trauner (dpa)
Hintergrund: Blind Dates mit Shortlist-Autoren
Autoren, deren Romane für den Deutschen Buchpreis 2014 nominiert sind, lesen deutschlandweit in Buchhandlungen sowie im Brüsseler und in den baltischen Goethe-Instituten.
Die Veranstalter werden erst kurz vor der Lesung informiert, welcher Autor zu Gast ist, das Publikum erfährt es erst vor Ort, wenn die Lesung beginnt. Die Jury für den Deutschen Buchpreis hat in den vergangenen Monaten aus 167 eingereichten Werken 20 Titel für die Longlist ausgewählt. Seit 13. August steht fest, welche Autoren es geschafft haben und für eines der Blind Dates in Frage kommen.
Zwei Blind Dates gibt es im Rhein-Main-Gebiet:
Am Montag, 8. September, um 19 Uhr veranstaltet die Deutsche Bank Stiftung Frankfurt in den Zwillingstürmen der Deutschen Bank, Taunusanlage 12, eine Lesung; eine weitere findet am Dienstag, 9. September, in der Bücherstube Klingler, Schulstraße 6, in Hainburg statt. (Redaktion)