Jedes Jahr im August im Nilkheimer Park das selbe Bild: Auf Decken liegen Besucher, vor der Bühne tanzen Paare barfuß, Kinder basteln Fantasietiere, Trommeln pulsieren aus der Zeltstadt, wenn es dunkel wird flimmern 16-Milimeter-Filme über ein Laken, Kinder liegen eingemummelt in Schlafsäcken davor. Das Kommz ist kein Fest wie jedes andere.
Es ist eines der größten Festivals in Deutschland, das von einer ehrenamtlichen Gruppe organisiert wird und nicht auf Profit ausgelegt ist.
In der Aufbauwoche zum 40. Kommz, während sich der Park in ein alternatives Dorf verwandelt, traf Fee Berthold-Geis Robert Schmitt-Plosz und Maria Büttner auf einen Kaffee. Beide haben beim ersten Parkfestival mitgeholfen - Schmitt-Plosz als 17-Jähriger Jugendhausbesucher und Büttner als 20 Jahre alte Jugendhauspraktikantin im Anerkennungsjahr zur Erzieherin - und tun es heute noch. Es schüttet in Strömen, Kinder rutschen lachend über eine Plane, die Erwachsenen hämmern am Bierstand, nähen Windspiele und zimmern den Boden für den Essensstand.
Hätten Sie 1975 gedacht, dass es das Fest 40 Jahre später noch gibt?
Schmitt-Plosz: Nein. Wir standen damals vor etwas Unbekanntem. Das Fest hat sich entwickelt und ich bin saufroh, dass es heute noch so viele Jugendliche mitreißt.
Büttner: Ich hätte das auch nicht gedacht. Ich bin stolz auf dieses Fest, wie es ist und dass wir es in dritter Generation als Gruppe friedlich zusammen stemmen. Es ist jedes Jahr eine Freude, mit welcher Leidenschaft jeder sein Bestes gibt. Es gibt keine Hierarchien. Jeder macht das, was er kann. Ich habe Gänsehaut, wenn ich durch den Park laufe.
Was ist das Geheimnis des Fests?
Büttner: Kommz ist Kult. Das Geheimnis ist, dass das Fest mit den Menschen gemacht wird, die auch Besucher sind. Von anderen Festivals unterscheidet es sich dadurch, dass hier eine große Gruppe dahinter steht, die den Kommzgedanken leben will. In der Gruppe findet sich ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft.
Schmitt-Plosz: Da sind unter anderem Punks, Hip-Hopper, Unternehmer und Ärzte dabei. Ich finde das klasse, dass wir Helfer eine gleiche Sprache haben. Man merkt nicht, ob der, der vor dir steht, ein Arzt, Journalist oder Punk ist. Wir haben ein tolles Kinderprogramm. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Gäste so lang hierher gehen.
Wie war das erste Parkfest 1975?
Schmitt-Plosz: Beim ersten Kommz war auf der einen Seite des Spiegelsaals die Bühne, auf der anderen die Getränketheke. Das Gelände war also viel kleiner - heute feiern wir ja im ganzen Park. Es gab Bier, Limo und Cola. Bei der Cola hatten wir uns so verkalkuliert, dass wir pro Flasche nur zwei Pfennig verdient haben. Das erste Kommz war eine städtische Veranstaltung, geplant vom Jugendhaus. Es war ein Jugendzentrumstreffen aus dem Rhein-Main-Gebiet geplant, daran haben sich Gruppen aus dem Jugendhaus wie das Chile-Komitee angeschlossen. Das hatte sich gegründet aufgrund des Militärputsches in Chile am 11. September 1973. Auf dem ersten Kommz hat auch eine chilenische Gruppe gespielt, die extra her geflogen ist.
Jugendliche sollten also selbst etwas auf die Beine stellen?
Büttner: Genau. Wir wurden beim ersten Fest aber sehr beäugt. hinter jedem Baum stand ein Polizei-VW-Bus samt Polizisten mit Fernglas. Wir waren ungefähr 400 Leute und sind bewacht worden von...
Schmitt-Plosz: … ganz so viele Polizisten wie Besucher waren nicht da, aber rund herum war Polizei. Ich habe einmal gehört, dass beim ersten Kommz im Gebiet Aschaffenburg-Miltenberg Alarmstufe Rot galt.
War das Fest so gefährlich?
Schmitt-Plosz: Die Polizei hatte Angst vor Woodstock in Aschaffenburg. Weil wir die Misere in Chile bekannt machen wollten, waren wir auf einmal in einer politischen Ecke. Dort haben wir uns aber auch gerne bewegt. Wir hatten viele Auflagen, durften auch nicht im Park schlafen wie heute. Ein Polizist hat mich mal geweckt, weil ich auf der Wiese eingeschlafen bin.
Büttner: Das Besondere am Fest waren die politischen Gruppen, die Infostände gemacht haben.
1977 schloss die Stadt das Jugendhaus. Das Kommz stand vor dem Aus.
Schmitt-Plosz: Der Jugendpfleger Christoph Preuß hatte andere Ideen als die Jugendlichen, die dort viel organisiert hatten. Er wollte mit Jüngeren arbeiten, wir haben nicht mehr ins Programm gepasst. Wir waren 1977 quasi zu alt. Die Kommzgruppe hat gesagt: Ihr könnt uns alles wegnehmen, aber das Fest machen wir weiter.
Büttner: Die politischen Verhältnisse hatten sich geändert. Der SPD-Bürgermeister Kurt Frenzel, der Referent für Soziales und Jugend, hatte uns die Stange gehalten. Nach der Kommunalwahl hatte die SPD die Mehrheit verloren. Es gab einen neuen CSU-Bürgermeister.
Günter Dehn.
Büttner: Genau. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, das Jugendhaus zu schließen. Es war die Zeit des Deutschen Herbsts, als die RAF viel Schaden angerichtet hat. Alle waren sehr nervös, haben uns in die gleiche Ecke geschoben. 1978 gab es dann deshalb das erste freie Kommz ohne Unterstützung der Stadt. Es war ein Erfolg.
Später gründete die Gruppe den »Freundeskreis für Kultur«. Der Verein entscheidet basisdemokratisch: Anstrengend, oder?
Büttner: Extrem anstrengend, keine Sitzung unter vier Stunden. (lacht) Es gibt aber immer eine Lösung, obwohl wild und auch laut diskutiert wird. Deshalb gibt es heute unter anderem die »Spaziergänger«, die rund um die Uhr auf dem Fest für die Besucher da sind.
Schmitt-Plosz: Bei uns wird alles ausdiskutiert. Aber wir haben den Grundsatz: Wenn wir merken, dass eine Entscheidung falsch war, haben wir kein Problem, sie wieder zurückzunehmen.
Was ist der größte Erfolg des Kommz?
Schmitt-Plosz: Das Kommz.
Ich dachte, die Ampel, die die Bahnhofstraße mit dem Nilkheimer Park verbindet.
Schmitt-Plosz: Ach, die Ampel war ganz einfach. Wir haben der Stadt gesagt, wir brauchen am Festival eine Ampel an der viel befahrenen Großostheimer Straße. Die Stadt hat gesagt nö. Dann haben wir gesagt, dann stellen wir selbst eine hin und haben ein mobiles Gerät gemietet. Dann hat die Stadt gemerkt, dass das gar nicht schlecht ist. Jetzt verbindet eine feste Ampel den Parkplatz mit dem Park. Und die Stadt hat durch uns den Park als Veranstaltungsraum entdeckt. Im Laufe der Jahre ist die Infrastruktur verbessert worden. Was hatten wir am Anfang für Probleme mit Wasser, Strom, Abwasser und Toiletten! Mittlerweile sind ein Kanal verlegt und ordentliche Stromleitungen.
Damals wurde über Chile diskutiert, ist das Fest heute unpolitisch?
Büttner: Politische Gruppen wie die Antifa und Attac informieren wieder an ihren Ständen. Was in der Welt passiert, ist hier weiter Thema. Heute ist das Fest gesellschaftspolitisch. Wir leben etwas vor. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, spenden jedes Jahr 30 000 Euro, behalten nur den Grundstock, um das nächste Fest zu finanzieren. Die Besucher fahren mit der Eintrittskarte umsonst Bus, wir vermeiden Müll. Unser Essen ist bio.
Ihre Vision für das 50. Kommz?
Büttner: Das Kommz wird immer noch leben und gelebt werden - mit genauso viel Begeisterung wie heute.
Früher stand auf den Plakaten »Kommz - Volksfest der Jugend«. Heute kommen alle Altersgruppen.
Schmitt-Plosz: Ich glaube, dass die Jugend noch in allen Köpfen unserer Helfer und Gäste ist. Im Alltag treffe ich oft auf Leute, die im Kopf zubetoniert sind. Menschen, die in den Nilkheimer Park kommen, sind im Herzen jung.