Die Ouvertüre kennt jedes Kind: der markante Trommelwirbel und der darauffolgende militärisch anmutende Marsch. Und dann? »Die diebische Elster«, die Oper an sich, sie ist kaum bekannt. Ob es an der kaum glaubhaften Handlung liegt? An diesem mehr als verklemmt konstruierten Libretto, zu dem Gioachino Rossini eine atemberaubende Musik komponiert hat?
Es mag sein. Für David Alden, der das Werk für die Oper Frankfurt inszeniert hat, ist das ein handfester Grund, dieses Stück nicht ganz ernst zu nehmen, es mit einer gehörigen Portion Ironie zu versehen. Ein guter Ansatz.
Argwöhnisch und lüstern
Es ist die Geschichte des Dienstmädchens Ninetta, die im herrschaftlichen Haus der Vingraditos ihr Dasein mehr schlecht als recht fristet und auf die Rückkehr Gianettos, Sohn des Hauses, wartet. Der wird als Kriegsheld empfangen und schließt seine Braut glücklich in die Arme - argwöhnisch beäugt von der Mutter, lüstern umworben vom Vater. Als Ninettas Vater nach einem Mord an der Front desertiert, sucht er Hilfe bei ihr. Ninetta verkauft altes Familiensilber, will das Geld in einem Versteck für ihn deponieren.
Doch fehlendes Besteck im Haus Vingradito und eine aus Ninettas Schürze kullernde Münze machen aus ihr eine Täterin, die sie nicht ist, über die aber alle herfallen. Der Bürgermeister will sie für sich, sucht sie in seiner schwarzen, von Dienern gezogenen Kutsche im Kerker auf, streut rote Rosen und würde sie begnadigen - würde sie ihn erhören. Doch sie bleibt standhaft und beteuert ihre Unschuld. Einzig ihr Geliebter Gianetto und der Bauernbursche Pippo halten zu ihr. Am Ende kommt heraus, dass die Elster das fehlende Besteck gestohlen hat.
Es mutet sperrig und unlogisch an, dass eine junge Frau wegen eines gestohlenen Besteckes zum Tode verurteilt wird. Nicht von ungefähr hat Alden das Stück in die Szenerie der Amischen in Amerika verlegt. Der Chor erscheint mit Fräcken, steifen Hüten, langen Bärten, die Frauen mit starren Hauben, hoch geschlossenen Kleidern. Eine Gesellschaft, die untadelig ist, das Maß der Dinge darstellen will. Sie pocht auf die Moral. Und weidet sich geradezu an Subjekten wie einer Ninetta, die kämpft für Menschlichkeit und Barmherzigkeit. Die es in dieser Welt nicht gibt. Die Bühne (Charles Edwards) mit den schwarzen Giebeln im Rund spiegelt die Kälte, die Uniformität und die Härte dieser Gesellschaft wider.
Sophie Bevan als Ninetta ist grandios, ebenso ihr Widersacher Bürgermeister Gottardo, der von Kihwan Sim stark interpretiert wird. Auch Alexandra Kadurina als Pippo ist bezaubernd. Stimmlich wie von der Musik - Henrik Nánási dirigiert das Opernorchester sicher und unaufgeregt - ist diese Oper ein absoluter Genuss. Die Inszenierung wird im zweiten Akt lebhafter, löst sich aus der Starre des ersten Teils und verschenkt dadurch weniger Potenzial. Aber sie kann nicht über die Schwächen des Stückes hinwegtäuschen. Was man aber durchaus hätte erwarten können. Bettina Kneller
b»Die diebische Elster« (210 Minuten mit Pause): 17., 20., 26. April, 4. Mai, 19 Uhr.