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Doch bei aller guten Laune: Proben ist vor allem Arbeit, und die erfordert Konzentration. Chi Coltrane mag und schätzt ihre Musiker, mit denen sie seit ihrem Comeback-Konzert in Wien 2009 zusammen auf der Bühne steht. Vor allem, dass sie bereit sind, Dinge auch mal »anders anzugehen«, wie sie im Interview verrät. »Gute Musiker müssen immer weiterlernen«.
Trotzdem: Die Musikerin, die ihre Songs alle selbst schreibt, hat eine ganz genaue Vorstellung davon, wie etwas klingen soll - und wie nicht. »Ich höre die Dinge im Kopf so, wie sie sich anhören sollen.«
Und dann gibt es auch keine große Diskussion darüber, ob Bassist Antoine ein Es-Dur gespielt hat oder nicht: Chi hat es gehört - und ihrer Meinung nach passt es nicht. Bei der Ballade »Heart of Stone« muss Michaels Mikrofon zurückgenommen werden - das hat fast symbolischen Charakter: Chis Song, Chis Stimme, Chis Botschaft stehen im Vordergrund. Eine Rückkopplung im Mikrofon des Flügels wird gleich eliminiert, die Kontrollaufnahme mit Aurelians iPhone verrät Ungenauigkeiten, der Monitor hinter dem Schlagzeug muss neu eingestellt werden.
Genau hinhören
Genau hinhören ist wichtig - und nichts wird dem Zufall überlassen. Nebengeräusche wie leise Unterhaltungen, das Klappern eines Schlüsselbundes oder das Aneinanderklicken der Drumsticks beim Weglegen nach einer ruhigen Songpassage mag Chi Coltrane überhaupt nicht. »Mach das noch mal und ich bring dich um«, sagt sie und springt Aurelian an die Gurgel. Natürlich nur aus Spaß - aber mit durchaus ernstem Hintergrund.
Trotz allem ist Chi offen für Änderungen: Aurelian überzeugt sie, dass der gerade angespielte Song besser ohne Schlagzeugsolo funktioniert. Die Erfahrungen der Musiker, Chis konkrete Vorstellungen und absolute Konzentration sind notwendig, damit das Gesamtbild funktioniert: Das, was der Zuschauer am Ende auf der Bühne sieht, hört und erlebt. Und das soll genauso rüberkommen, wie es gemeint ist: Ehrlich. »Ich schreibe über die Wahrheit, über das Leben«, sagt Coltrane. »Ich war nie daran interessiert, politische Botschaften zu senden. Ich bin keine Protestsängerin wie Joan Baez. Mich interessiert die Art und Weise, wie Musik stärker machen kann. Ich möchte den Leuten Kraft geben.«
Die Sängerin, die seit über 40 Jahren im Geschäft ist und, wie sie sagt, viel durchgemacht hat, möchte eine Botschaft auch an jüngere Menschen weitergeben: Dass es immer weitergeht. »Im Münchner Fernsehstudio hat mir ein 15-Jähriger zugejubelt. Das bedeutet mir sehr viel und spornt mich an, immer weiterzumachen.« Im Oktober soll dann auch ihr neues Album erscheinen - Details dazu verrät sie allerdings noch nicht.
Im Gedächtnis geblieben
Je weiter die Proben laufen, desto greifbarer wird, was Chi Coltrane mit ihrem Credo meint - und dass das, was sie sagt, zwar schon ein wenig mit Pathos behaftet ist, aber von einer Überzeugung getragen wird, die sie sehr ernst nimmt - und von der man spüren kann, wie sie sich im Ergebnis - der Musik - manifestiert.
Denn: Ob man nun Fan von ihr ist, oder sie das erste Mal erlebt: Der Moment, in dem sie am späten Vormittag - noch ein wenig verschlafen und mit einer Tasse Ingwertee auf dem Flügel - anfängt, mit bemerkenswert kräftiger Stimme zu singen, bleibt im Gedächtnis haften.
Nach dem Interview geht es weiter mit Proben, zur Einstimmung gibt es ein Stück von Johann Strauß - Coltrane mag es auch mal klassisch. Dann heißt es für den Besuch Abschied nehmen: Damit weiter an den besonderen kleinen Momenten gefeilt werden kann.
Miriam Schnurr
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