Es ist ein bisschen, als wäre man zurück in die Vergangenheit katapultiert worden. Doch das Haus, so Direktor Matthias Wagner K, bricht mit neuem Konzept, neuer Gestaltung und neuem Namen - das betulich wirkende und etwas schwerfällige »für« fehlt bei der neu geschaffenen Bezeichnung - in Richtung Zukunft auf. Am heutigen Freitag wird es nach einer halbjährigen Umbauphase wieder eröffnet.
Wer das Museum betritt, den erwartet Ungewöhnliches. »Das Haus hat einen grundlegenden Paradigmenwechsel vollzogen«, so Direktor Matthias Wagner K. Statt auf statische Dauerpräsentation setzt der 52-Jährige nun auf kleine, temporäre, thematische Schauen. Die schiere Masse von Frankfurter Schränken, Truhen, Biedermeiertischen - all das ist magaziniert worden. Doch der Bestand ist nicht für alle Zeiten verschwunden, sondern wird in einem anderen Zusammenhang präsentiert.
Frisch und zeitgemäß
Dabei ist die Devise »Weniger ist mehr« durchaus stilprägend für die Neukonzeption. Wo sich früher Barockschrank an Barockschrank reihte und ein Stuhl kommentarlos neben dem nächsten stand, wo vorher die Fülle des Gezeigten den Betrachter oft überforderte und alleine ließ, da setzt der neue Museumleiter auf weniger Stücke, die mehr Raum für sich zum Wirken haben. Ein frischer, zeitgemäßer Ansatz, der die Zuschauer stärker einbindet und ihnen gleichzeitig neue Erkenntnisse aus den alten Stücken bietet. Ein Kruzifix, ein Krummdolch und eine Buddhastatue des 17. Jahrhunderts vor einem italienischen Gebetsstuhl vermitteln ein Gefühl für die Atmosphäre der damaligen Zeit eben besser als eine Reihe von Madonnenbildnissen derselben Epoche.
Dazu mussten die dauerhaft gezeigten Exponate aus den Räumen verschwinden. Und in einem neuen, sinnvollen Zusammenhang wiederauferstehen: Vier kleine Schauen präsentieren zur Eröffnung eine Auswahl aus dem Bestand des Hauses, ergänzt um externe Leihgaben.
Im Erdgeschoss lockt das »Frankfurter Zimmer«. Als Ausstellungsfläche die kleinste im Haus bleibt sie während der Laufzeit (bis 20. Oktober) ständig im Wandel, das bedeutet, dass Exponate von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden. Der Raum im Raum zeigt Möbel, Lampen und Accessoires aus 60 Jahren Gegenstandsgeschichte, die vielleicht die typische »Frankfurter Handschrift« tragen. Seit letztem Jahr hat das Haus mit der Dauerleihgabe von 243 Objekten des Frankfurter Designers Dieter Rams einen Schatz, aus dem es reichlich schöpfen kann.
»Korea Power« zeigt bis 25. August Produkt- und Grafikdesign eines gespaltenen Landes, das in der einen Hälfte dem westlichen Individualismus huldigt und in der anderen Hälfte einem diktatorischen Einheitsbrei. Neben edlen, zurückgenommenen Geschirrentwürfen - Korea hat eine lange, große Tradition bei der Keramikherstellung - und schrägen Möbelideen sind in der Schau auch Fotografien des Würzburger Professors Dieter Leistner zu sehen, die die Gespaltenheit des Landes kaum eindrucksvoller schildern könnten.
Auf dem gleichen Stockwerk ist die Schau »1607« zu sehen, die 200 Objekte dieser Zeit aus einem gesunkenen Schiff zeigt und diese mit Logbucheinträgen zu einem Kunst-und-Dinge-Kosmos spinnt und Einblicke gewährt in eine Zeit, die von großen Entdeckungen und Umbrüchen geprägt war (bis 27. April 2014). Und ein Geschoss höher kann man die kürzlich vom Haus angekaufte Sammlung Otto Riese mit japanischen Ukioye unter dem Titel »Das pralle Leben« betrachten (bis 27. Oktober).
Architektur pur
Da, wo es passt, ist die Ausstellung in die ursprüngliche, seit Dezember 2012 gründlich sanierte Architektur integriert. Und dort, wo man Fokussierung braucht oder auch Schutz vor einfallendem Tageslicht wie bei den japanischen Holzschnitten, hat man kleinere Räume in bereits bestehende eingebaut, ein multifunktionales System aus verschiebbaren Wänden. Das gesamte Haus ist befreit worden von sämtlichen früheren Einbauten, Vitrinen und Stellwänden: Architektur pur kommt wieder voll zur Geltung.
Das Museum will zudem mehr ein Ort für die Muße, für die Sinnlichkeit sein: Das Foyer ist einladend gestaltet mit Museumsshop, es gibt ein Bistro mit gut sortiertem Lesetisch. Und im dritten Stock laden Bänke mit Blick hinunter auf den Main zum Verweilen ein. Ein Ort, an dem man Dinge auch einmal Revue passieren lassen kann - nicht schlecht in Zeiten der visuellen Überforderung.
So gibt es jede Menge zu entdecken: die alte Kunst, die neu erschlossen worden ist, und eine neue Kultur des Sehens. Es ist ein mutiger, radikaler Schritt - aber es ist einer in die richtige Richtung. Denn waren Museen bisher Orte der Aufbewahrung, und der Forschung, wollen sie heute Plattformen des Lebens, der Kommunikation und der sinnlichen Wahrnehmung sein. Insofern ist das neue alte Museum zurück in die Zukunft gereist.
Bettina Kneller
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Museum Angewandte Kunst (Schaumainkai 17): Wiedereröffnung heute, Freitag, 26. April, ab 19 Uhr; sonst Dienstag und Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr sowie Mittwoch von 10 bis 20 Uhr.
Stichwort: Angewandte Kunst
Kunstgewerbe - auch Angewandte Kunst genannt - umfasst die handwerkliche, maschinelle oder industrielle Herstellung von Gebrauchsgegenständen mit künstlerischem Anspruch. Im Gegensatz zum nahe verwandten Kunsthandwerk stellt es die Objekte in größeren Serien her und die Entwürfe dazu werden oft von anderen Werkstätten oder externen Künstlern ausgeführt. Es umfasst alle Bereiche kunstgewerblichen Schaffens wie Geräte, Schmuck und Bestandteile der Raumausstattung. Ein weiterer Begriff für die Herstellung nicht-originaler Kunstgegenstände ist Gebrauchskunst.
Im 19. Jahrhundert wurden erstmals Gewerbe-Museen, Kunstgewerbemuseen und Kunstgewerbeschulen gegründet, um Anschauungsbeispiele für künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände zu sammeln und zu präsentieren. Hier sollte die handwerkliche Ausbildung und Schulung vorangetrieben werden. Zu den bekanntesten Schulen der angewandten Kunst zählt das Bauhaus. Es bestand von 1919-1933 und gilt weltweit als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Kunst. Kunstgewerbe kann als Vorläufer des Produktdesigns verstanden werden, für das im 20. Jahrhundert sogar spezielle Designmuseen gegründet wurden. Nach Walter Benjamins Schrift »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« hat das einzelne Kunstgewerbe-Objekt keine Aura, der Kunstcharakter ist bei dieser Art der Produktion in Frage gestellt. (Wikipedia)