Und des eigenen Seelenheils.
Shakespeares letztes Theaterstück »Der Sturm«, das Regisseur Jürgen Overhoff mit dem Modernen Theater (mot) inszeniert hat, ist ein nasses Unterfangen. Wasser, Nebel und jede Menge Regen sind die Hauptelemente eines in jeder Hinsicht erfrischenden Theaterabends im Aschaffenburger Stadttheater. Und die Generalprobe steht wohl einer echten Aufführung in nichts nach.
Von Zauberhand gelenktZweifellos ist es eine Zauberinsel, dieses Eiland vor der Küste Neapels, auf das Prospero einst von seinem Bruder Antonio (Steffen Rosenberger) verbannt wurde. Der sitzt jetzt an seiner Statt auf dem Thron von Mailand. Und strandet auf eben jener Insel - natürlich von Zauberhand gelenkt. Mit im Boot saß auch Alonso, der König von Neapel (Reiner Fugger), mit seinem Sohn Ferdinand (Agnieszka Kleemann). Der steht plötzlich vor der stotternden, zitternden Miranda - die jahrelang keine anderen Menschen gesehen hat - und verliebt sich sofort in sie. So wie sie auf der Stelle ihr Herz an ihn verliert.
Prospero - Anne Fischer gibt den weisen Zauberer als souveräne, in sich ruhende und gebildete Persönlichkeit, die sich nach Ruhe und Harmonie sehnt - zieht nicht alleine an den Strippen, ihm zu Hilfe eilt stets Ariel, der von Simone Wagner als pfiffiges, diensteifriges Kerlchen gezeichnet wird. Und der hässliche Halbwilde Caliban - von Judith Beier sehr eindringlich als dröhnendes, polterndes Ungeheuer dargestellt - ist ihm zähneknirschend ebenfalls Untertan.
Overhoff schwelgt in Shakespeares herrlichen Irrungen und Wirrungen, setzt sie genüsslich in Szene. Er kostet die Verquickungen der Handlungsstränge aus, läuft aber dabei nicht Gefahr, die Übersicht zu verlieren oder sich gar zu versteigen. Das hält ihn aber nicht davon ab, die kleinen Anekdoten am Rande nicht genauso liebevoll wie die Hauptgeschichte in Szene zu setzen. Da schwebt dann die Fee Ceres (Milana Weidmann) wie eine mondäne Nachtclub-Göttin herunter auf die Bühne und verteilt ihre Gunst. Oder Ariel schwingt sich behände an einem Seil herein. Und die beiden betrunkenen Matrosen Stephano (Simone Seebacher) und Trinculo (Cornelia Denk) stolpern über die auf der Bühne verteilten roten Putzeimer - zeitgenössische Symbole für unsere ach so saubere Welt - und treiben ihren Schabernack mit Caliban. Der hofft, dass Stephano Prospero umbringt, damit er selbst die Herrschaft über die Insel übernehmen kann.
Doch wo viele Messer gewetzt werden - auch Antonio und Sebastian (Günter Geisler) versuchen, Alonso und seinen treuen Begleiter Gonzalo (Dieter Schaller) zu erstechen -, kommt schlussendlich niemand ums Leben. Vielmehr treffen alle zusammen und liegen sich geläutert durch den Sturm und der Rettung vor dem Untergang versöhnt in den Armen. »We are family« tönt es dazu - nicht wenig ironisch - aus den Lautsprechern, ein kitschiger Sonnenuntergang untermalt die Szene.
Overhoff bringt mit einem bestens aufgelegten mot-Ensemble den »Sturm« zeitgemäß, witzig und humorvoll auf die Bühne. Und verhilft so dem Drama-Schwergewicht zu beflügelter Leichtigkeit. Eine Leichtigkeit, die die Schwere der Lyrik fortspült - wie das Wasser auf der Bühne manchen bösen Gedanken.
Bettina Kneller»Der Sturm« (Dauer 110 Minuten ohne Pause):
9. bis 12. April, jeweils 20.30 Uhr. Ticket-Telefon 06021/270 78.
Stichwort: »Der Sturm«
»Der Sturm« (»The Tempest«) gilt traditionell als das letzte Theaterstück von William Shakespeare (1564 bis 1616). Es wurde am 1. November 1611 im Whitehall Palace in London uraufgeführt. In der Hauptfigur Prospero wird gerne Shakespeare selbst gesehen, der am Ende seiner Schaffenszeit seiner »Zaubermacht« entsagt. Der Kinofilm »Prosperos Bücher« (1991) von Peter Greenaway basiert auf Shakespeares Stück.