Da leben und arbeiten Heribert Lenz und Achim Greser in Aschaffenburg und haben sich von ihrem Atelier im Stadtteil Leider aufgeschwungen zu den Vorzeige-Karikaturisten der Republik, während Elias Hauck in Berlin und Dominik Bauer in Frankfurt ihr jeweiliges Zuhause haben und trotz dieser Distanz als Karikaturisten-Duo den gemeinsamen Weg gehen.
Und das inzwischen nahezu so erfolgreich wie die um zwei Jahrzehnte älteren Greser und Lenz. Wie die haben Hauck und Bauer - beide Jahrgang '78, beide mit Abitur am Alzenauer Spessart-Gymnasium, beide in der Nachfolge des gebürtigen Lohrers Greser und des aus Schweinfurt stammenden Lenz gereift in der Karikaturen-Ausbildung des Satire-Magazins Titanic (Frankfurt) - es an die Spitze der deutschen Feuilleton-Ironie geschafft und veröffentlichen ihre Zeichnungen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und wie Greser und Lenz sind Hauck und Bauer längst nicht länger zuständig für das schnell gestrichelte Tagwerk, ihre Skizzen des Zeitgeistes taugen für das Aufbewahren zwischen zwei Buchdeckeln: Nach dem 2007 bei Carlsen erschienenen »Am Rande der Gesellschaft« findet sich ab heute, Mittwoch, ihr vom Verlag Antje Kunstmann herausgegebener Band »Hier entsteht für Sie eine neue Sackgasse« mit gesammelten Karikaturen der vergangenen Monate in den Buchregalen.
Damit aber hat es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten von Greser/Lenz und Hauck/Bauer.
Die beiden ersten stehen für das Tiefdruckverfahren der Karikatur, indem sie den realen Alltag auf Papier übertragen und dort mit der Darstellung des vermeintlich gesunden Menschenverstands überhöhen. Der Stammtisch, das Aschaffenburger Gebabbel sind die Quellen, aus denen Greser und Lenz schöpfen.
Reiz für 80 MuskelnElias Hauck, der den gemeinsamen Humor zeichnet, und Dominik Bauer, der die Geschichten dazu erfindet, dagegen erweisen sich als Lithografen ihrer Zunft: Ihr Metier ist der Flachdruck, was ganz und gar nichts über ihren Witz aussagt, sondern lediglich ihre Arbeitsweise dokumentiert. Beim Flachdruck liegen druckende und nichtdruckende Partien in einer Ebene. Hauck und Bauer formen diese druckenden Elemente, die weiße Fläche ist der Freiraum für die Gedanken des Betrachters.
Da kann es denn sein, dass die Hausfrau dem zum Universalgenie stilisierten US-Präsidenten Barack Obama sogar die Kreation von Küchenessenzen zutraut - um dann beim Griff ins Regal doch enttäuscht festzustellen, dass es sich doch nur um hundsnormales Backaroma handelt. Oder der glupschäugige Glatzenträger, der bei der Lektüre des Buchs »Jüdischer Humor« verärgert feststellt: »Ach, Witze von Juden!«
Albern das erste Beispiel, bösartig das zweite - und auf Schadenfreude abzielend beide Reiz für jene 80 Muskel, die uns das Lachen ermöglichen. Haucks und Bauers Figuren reflektieren nicht über das Weltgeschehen, sie haben es als Teil ihrer Lebensläufe verinnerlicht und werden, wie wir immer wieder gezeigt bekommen, stets aufs Neue enttäuscht - um mit Sisyphos-Aufwand dennoch das Beste daraus zu machen.
Voll in der Wirklichkeit stehen damit die Hauck/Bauerschen Karikaturen - und wenn wir über sie lachen, dann tun wir das auch über uns selbst. Denn die Welt besteht nun mal aus Klischees, die wir allzu gerne auf die Spitze treiben - betrachten Sie nur das Foto rechts oben: Wer ist der Geschichtenerfinder Dominik Bauer, wer der Zeichner Elias Hauck?
Na klar, der Brillenträger mit dem sinnenden Blick ist jener, der sich die tiefschürfenden Gedanken macht - und wer seine Baseballkappe derart trägt, strichelt gerne Männchen. Und plötzlich sind Dominik Bauer und Elias Hauck selbst Ziel karikaturistischen Denkens: »Hier entsteht für Sie eine neue Sackgasse« - aber nur, weil uns der Zeitgeist damit kokettieren lässt.
Stefan ReisElias Hauck und Dominik Bauer: Hier entsteht für Sie eine neue Sackgasse;
Verlag Antje Kunstmann 2010; 106 Seiten; 12,90 Euro
Lesung am Freitag, 17. September,
um 20 Uhr in der Buchhandlung Das Buch, Friedberger Gäßchen 5, Alzenau,
Tel. 06023/917908
Hintergrund: Karikaturisten als zeichnende Psychologen
Mitte der 80er Jahre ging der Hannoveraner Psychologe und Soziologe Thomas Ziehe mit seiner Theorie des »Neuen Sozialisationstyps« an die Öffentlichkeit. Ziehe behauptete, dass etwa ab 1960 - mit den in die erste Nachkriegs-Zufriedenheit hineingeborenen Jahrgängen - das anonyme, identitätslose Wesen den Typen, das Original im Menschen - den bis dahin bekannten »klassischen Adoleszenten« - ablöste. Nur scheinbar kurioserweise nannte Ziehe das Buch, mit dem er in der Gesellschaft bekannt wurde, »Narziß«: jener Mensch, der sich zuvorderst für sich selbst interessiert und darüber hinaus seine Umwelt vergisst.
Die Aschaffenburger Karikaturisten Achim Greser (geboren 1961) und Heribert Lenz (geboren 1958) sind in diesen Kategorisierungen typische Vertreter des klassischen Adoleszenten: Gehen in den Schlappeseppl, bilden dort ihren eigenen Stammtisch, streifen über das Aschaffenburger Stadtfest - und holen sich, ganz nebenbei wie Urban Priol (geboren 1961), ihr Wissen über den Zeitgeist vor Ort ab. Entsprechend stellen Greser/Lenz das Urteil ihres Karikaturen-Personals in den Mittelpunkt des Witzes.
Die Alzenauer Elias Hauck und Dominik Bauer (beide Jahrgang 1978) sind Neue Sozialisationstypen: Ihre Figuren sind nicht Subjekte, die eigenverantwortlich handeln, sondern bestaunenswerte Objekte, über die wir ihrer Ich-Bezogenheit wegen lachen.