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Das ist immer noch sehr optimistisch von dem kanadischen Künstler, der für seine Auftritte am Klavier in Bademantel und Pantoffeln bekannt ist, für Rap-Gesang zu Orchestermusik und für seine «Solo Piano»-Alben.
Jetzt hat sich «The Musical Genius», wie er sich selbst nennt, ein Streichquartett ins Studio geholt und das neue Album «Chambers» komponiert. Herausgekommen sind zwölf Stücke, die etwas schwerer, gehaltvoller und trauriger klingen, als man es von dem Entertainer bisher kennt.
Gonzales' Ziel: Kammermusik aus der romantischen Ära neu erfinden. Manch einen lässt das ratlos mit den Schultern zucken. Der ausgebildete Pianist erklärt, was er meint. Früher habe es lange Zeit Volksmusik gegeben, die auf den Straßen gespielt wurde, und gehobene Musik in Kirchen und Königshäusern. «Aber es gab nicht wirklich Musik für die Mittelklasse», sagt Gonzales.
Das habe sich geändert mit der Kammermusik, die im Unterschied zum Orchester nur für wenige Instrumente geschrieben wurde. Man habe Noten kaufen und nachspielen können. «Das war eine Art Revolution, dass die Menschen plötzlich Musik zu Hause haben konnten», sagt Gonzales. Kammermusik sei vielleicht die erste Popmusik gewesen. «Das klingt irgendwie nach Klischee, aber es stimmt: Wir hätten Kanye West heute nicht ohne Franz Liszt.»
Mit dem Kaiser Quartett aus Hamburg will Gonzales nun einen neuen Zugang dazu finden und Klassik wieder einem größeren Publikum näherbringen. Aber funktioniert das?
Gonzales hat schon vieles durcheinandergeworfen. Früher trat er mit Sängerin Feist in Underground-Clubs zu Hip-Hop-Beats auf. Nach vielen Jahren in Berlin lebt er nun in Köln, er arbeitet mit Daft Punk oder Drake. Gonzales hat ein Klavierbuch für Anfänger veröffentlicht und erklärt im Auftrag von Radiosendern, wie Popsongs von Taylor Swift funktionieren. Das sind äußerst amüsante und lehrreiche Lektionen.
Auch in «Chambers» soll vieles davon stecken - Rap, Southern Hip-Hop, Hollywood-Sentimentalität, Pop fürs Cello. Als unerfahrener Hörer merkt man das nicht sofort, also holt man den Beipackzettel heraus: Gonzales hat zu jedem Lied eine Zusammenfassung geschrieben.
Den ersten Song «Prelude To A Feud» widmet er Bach und Daft Punk. «Sweet Burden» - in Gonzales' Worten eine Schnulze - erinnert an die Klavieralben des Kanadiers. Gonzales' Tipp zu einem Part in «Freudian Slippers»: «Rappen Sie dazu! Sie werden sehen, es funktioniert.» (Wohl eher ein Projekt für die Dusche.) Und man sollte das Album auf jeden Fall bis zum Schluss hören - der überrascht!
Insgesamt klingt «Chambers», an dem Gonzales zwei Jahre lang gearbeitet hat, zuerst nach einer Zeitreise. Jemand, der mit Klavier- und Streichermusik wenig anfangen kann, wird einen Moment brauchen. Nach ein paar Mal prägen sich die Melodien aber ein und sie tragen einen aus dem Alltag in eine andere Welt. Erfahrenen Klassik-Hörern dagegen könnte manches Stück zu einfach bleiben.
Denn Gonzales macht sich mit seiner Gratwanderung zwischen den Gattungen nicht nur Freunde. Manche sprechen vom «Comedy-Pianisten» und von «Bargeklimper». Andere meinen, das seien Beschwerden snobistischer «Kulturspießer». Der Komponist kennt die Debatten.
Viele hätten ihm vorgeworfen, er müsse sich entscheiden zwischen seinem ironischen Pop und ernsthafter Musik, erzählt Gonzales, der am 20. März 43 Jahre alt wird. Er rebelliert gegen diese Trennung und findet, dass Klassik und Jazz zunehmend ihr Publikum verlieren.
Klassik dürfe nichts sein, was man nur aus gutem Vorsatz höre. «Niemand sollte einem sagen: «Iss jetzt deinen Brokkoli!», «Geh zur Philharmonie!»», sagt Gonzales. «Die Leute sollten in die Philharmonie gehen, weil sie wirklich verdammt noch mal sehen wollen, was da passiert.» Dazu gehöre, dass man sein Publikum unterhalte, es zum Lachen bringe, ihm Musik erkläre. Auf der Bühne macht Gonzales das dann höchstpersönlich - googeln nicht notwendig.
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