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Nicht einmal Konrad Adenauer hat in seiner Heimatstadt Köln schon zu Lebzeiten ein Denkmal erhalten, wohl aber Willy Millowitsch. Als 700 Kilo schwere Bronzestatue blickt der große Komödiant (1909-1999) über einen nach ihm benannten Platz in der Fußgängerzone.
Wer etwas über den Menschen hinter der Legende erfahren will, muss das Volkstheater Millowitsch aufsuchen, die Stätte seines Wirkens. Dort sitzt an seinem früheren Schreibtisch sein Sohn Peter (66). Er führt das Theater in der siebten Generation. Seit 1792 ist die Familie in Köln belegt, zunächst als Millewitz und Milowiz. Ein kölscher Name ist es nicht - die ersten Millowitsche kamen aus Küstrin, tief in Preußen, und stammten ursprünglich vom Balkan. Am Rhein etablierten sie sich als Stabpuppenspieler, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts auf Menschentheater umstiegen. Spezialität: Lustspiele.
Im Zweiten Weltkrieg bot sich der Familie die Möglichkeit, als Fronttheater der Wehrmacht hinterherzuziehen. Bei den zahllosen Vorstellungen im besetzten Belgien und vor allem in Frankreich machte Willy - damals Anfang 30 - eine wichtige Erfahrung: Bayern, Friesen und Schlesier konnten genauso über ihn lachen wie die Kölner. Er musste die kölsche Mundart nur durch ein gemäßigtes Rheinisch ersetzen.
1945 - Köln liegt in Trümmern. Das Theater steht zwar noch, aber das Dach ist weggeblasen. Doch nun geschieht etwas Unerwartetes. Der wiedereingesetzte Oberbürgermeister Konrad Adenauer bestellt Millowitsch ein und verkündet: «Ich will, dat Se so bald wie möglich wieder Theater spielen können. Die Leute sollen wieder wat zu lachen haben.» Das Baumaterial werde er schon beschaffen. Als Millowitsch schon in der Tür steht, ruft Adenauer noch: «Verjessen Se dat eine nich: Schicken Se mir zur Premiere zwei Karten. Aber Freikarten bitte!»
So war das Millowitsch-Theater das erste, das in Köln wieder öffnete. Kurz darauf war Millowitsch wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Sehr früh erkannte er die große Zukunft des Fernsehens und rannte dem Nordwestdeutschen Rundfunk die Türen ein. Mit Erfolg: 1953 wurde erstmals ein Theaterstück live übertragen - «Der Etappenhase», ein Militärschwank. So etwas hatte es bis dahin im Fernsehen nicht gegeben. Wieder war Millowitsch der erste, und der erste prägt sich ein.
Von nun an war er eine öffentliche Figur. Seine Selbstinszenierung als ewig gut gelaunter Rheinländer setzte sich bis ins Private fort. Wenn die Presse ihn zu Hause besuchte, hatten auch die Kinder mitzuspielen. Peter Millowitsch erinnert sich: «Da wurde mein Vater ans Klavier gesetzt, ich bekam eine Blockflöte in die Hand, und es wurde drunter geschrieben: "Sie musizieren jeden Tag." Dabei konnte mein Vater gar kein Klavier spielen und ich auch keine Blockflöte.»
Persönlich war Millowitsch geradezu das Gegenteil des jovialen Sprücheklopfers: Als oft mürrisch und verschlossen schildern ihn viele, auch Freunde. Für seine vier Kinder hatte er kaum Zeit. Sohn Peter sprach ihn nicht mit «Papa» an, sondern mit «Chef». Tochter Mariele wollte anfangs keineswegs Schauspielerin werden - sie studierte Tiermedizin. Peter war zwar als Nachfolger fest vorgesehen, aber freiwillig gab der Prinzipal den Staffelstab nicht ab. Als ihm ein schweres Hüftleiden weitere Auftritte unmöglich machte, verkündete er ein ums andere Mal: «Nächstes Jahr spiele ich wieder!»
«Ich glaube, mein Vater hatte furchtbare Angst vor dem Tod», erzählt Peter Millowitsch, «und er wollte dem Tod erklären: "Ich bin unglaublich wichtig hier, du kannst mich nicht holen!"» Als der Tod 1999 dann doch kam - ein Dreivierteljahr nach den Feiern zu seinem 90. Geburtstag - bekam er ein Requiem im Kölner Dom.
Heute ist das Millowitsch-Theater fast nur noch in Köln ein Begriff. Peter Millowitsch nimmt es gelassen: «Wir leben in anderen Zeiten», sagt er. Mariele Millowitsch ist doch noch Schauspielerin geworden und dank des Fernsehens bundesweit bekannt. Kinder haben sie beide nicht. Aber für Mariele steht damit noch nicht fest, dass die Schauspielerfamilie Millowitsch aussterben wird: «Wir haben ja noch zwei Schwestern, und die haben sowohl Kinder als auch bereits Enkel. Und wer weiß heute schon, was die später machen werden?»
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