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Ein mysteriöser alter Koffer bringt Vivians Leben in Schwung. Er führt sie auf die Spur ihrer verschollenen Großtante Violet und in völlig neue Gefühlswelten.
«Das geheime Leben der Violet Grant», ein neuer Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin Beatriz Williams, erzählt die Geschichte der angehenden Journalistin Vivian und ihrer bis dato unbekannten Verwandten Violet, einer jungen Wissenschaftlerin, die es Anfang des 20. Jahrhunderts nach Europa verschlug - kurz, bevor der Erste Weltkrieg ausbrach.
Es ist Oktober im Jahr 1964, als besagter Koffer bei Vivian in New York auftaucht - und mit ihm der junge Arzt Paul. Wie es scheint, eine Schicksalsbegegnung für die 22-Jährige. Der Koffer, so erfahren die beiden, gehörte ihrer Großtante, deren Spur sich 1914 in Europa verliert. Das Wenige, das die Familie über die Verschollene weiß - Violets Ausbruch aus dem wohlhabenden Elternhaus, die Ehe mit einem Oxford-Professor, seine Ermordung und ihre Flucht aus Deutschland - werden zum Recherchethema für Vivian, die eine große Story und damit ihren Durchbruch wittert. Und die spürt, dass sie mit der anderen Frau noch viel mehr als ein Geheimnis und die Verwandtschaft verbindet.
Fortan erzählt die Autorin zweigleisig: Im Wechsel begleitet sie die kesse Vivian, die nicht nur durch ihr loses Mundwerk, sondern auch durch ihre Amouren den Leser einwickelt, und die schöne, intelligente, für die damalige Zeit viel zu selbstbewusste Violet, die konsequent ihren eigenen Weg geht und alle Brücken hinter sich abbricht. Das Leben an der Seite des Professors, das ihr immerhin die für Frauen normalerweise unzugängliche Forschungsarbeit ermöglicht, ist nach anfänglicher Selbsttäuschung alles andere als zufriedenstellend.
Bis der Engländer Lionel Richardson auftaucht. Was nun folgt, ist ein fesselndes Bilderbuch mit Irrungen und Wirrungen, die sowohl einen historisch entstaubten Blick auf das Deutschland der Vorkriegszeit als auch auf die Swinging Sixties in den Staaten gewähren. Mit allem, was dazugehört: Intrigen, Betrug und Machtmissbrauch, aber auch große Momente. Die deutsche Wissenschaft um Koryphäen wie Max Planck, Otto Hahn, Albert Einstein und die Österreicherin Lise Meitner steht kurz vor dem nächsten Quantensprung. Die Politik bedient sich todesmutiger Agenten vom Format eines James Bond. Und auf beiden Zeitebenen wird viel geraucht, getrunken und geliebt.
Williams' Roman in Form einer Frauen-Saga ist mit leichter Hand geschrieben, aber alles andere als seicht. Vieles, was die Autorin, die an den amerikanischen Elite-Unis Stanford und Columbia studierte, als Hintergrund in ihre fiktive Geschichte einwebt, ist authentisch oder an authentische Ereignisse angelehnt. Selbst der Ausgangspunkt, der ominöse Koffer, enthält einen wahren (ähnlichen) Kern. Sie sei «eine literarische Elster», schreibt Williams über sich selbst. «Ich stibitze historische Fakten und interessante Charaktere, wo ich nur kann.» Wenn dabei solche herzerfrischenden Geschichten wie die vorliegende herauskommen, dann kann man ihr nur weiterhin ein gutes Auge wünschen.
- Beatriz Williams: Das geheime Leben der Violet Grant, Blanvalet Verlag München, 570 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-7645-0544-8.
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