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Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht er über seine Anfangszeit bei Hanser und neue, sozialere Formen des Lesens.
Frage: Fast acht Monate sind Sie nun schon bei Hanser. Wie gefällt es Ihnen denn? Und ist es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Antwort: Es war wirklich schön und erfreulich. Vieles war so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber in Gesprächen mit und über Autoren wird das allermeiste natürlich etwas handfester und viel konkreter als man es sich vorher ausgemalt. Aber auf eine Formel gebracht: Die Bereitschaft in diesem Haus, den Verlag auch punktuell neu zu erfinden, ist sehr groß und macht Spaß.
Frage: In welchen Punkten wird der Verlag denn neu erfunden? Sie haben bereits einige Stellschrauben genannt: mehr weibliche Autoren, mehr jüngere Autoren. Ist das so einfach?
Antwort: All diese Veränderungen kommen natürlich über die Zeit. Das Schöne bei Hanser ist, dass wir viele Hausautoren haben, die weiter für uns schreiben, wofür ich sehr dankbar bin. Diese Veränderungen werden erst nach und nach sichtbar, das ist nichts, was sich in einem halben oder ganzen Jahr ergibt.
Frage: Haben Sie in den ersten Monaten bei Hanser weitere Stellschrauben ausgemacht?
Antwort: Ja. Das Digitalgeschäft ist etwas, das wir angehen wollen. Im Moment nur so viel: Geplant ist ein neues Angebot, ein kleiner Digitalverlag, der im Herbst starten wird.
Frage: Sie haben eine sehr öffentliche und sehr schön zu lesende Auseinandersetzung mit Ihrem Telefonanbieter über die Kündigung Ihres Vertrages geführt und dabei in Ihrem Blog festgestellt, dass die Menschen auf solche Geschichten viel stärker reagieren als auf die über Liebe, Tod und Glück. Ist das eine Erkenntnis, die sich auf Ihre Verlagsarbeit auswirken wird?
Antwort: Nein. Ich glaube, in der Literatur wollen die Leute immer noch - und zum Glück - von den großen Dingen des Lebens lesen. Natürlich merken wir aber auch, dass es inzwischen eine andere Art von Gespräch untereinander gibt, die heute vor allem über die sozialen Kanäle läuft. Die kleinen Erlebnisse des Alltags, bei denen man stutzt, fügen sich in einen größeren Zusammenhang ein, wenn man merkt, dass sie anderen genau so passieren. Man findet sich dann plötzlich in einer Art Verständnisgemeinschaft wieder.
Frage: Wie wichtig werden diese Verständnisgemeinschaften künftig für die Literatur?
Antwort: Ich denke, dass es bestimmte Formen des Lesens gibt, die sozialer werden. Lesen war früher eine sehr einsame Angelegenheit. Und diese Möglichkeit, in seinem Inneren eine ganz eigene Landschaft zu bauen, ist toll und die gibt es natürlich auch weiterhin. Aber dadurch, dass das öffentliche Gespräch einfacher geworden ist, gibt es Viele, die sich über Gelesenes schnell austauschen wollen - gewissermaßen Second Screen beim Lesen. Lesegemeinschaften bilden sich unkomplizierter.
Frage: Sie sind nicht nur Verleger, sondern auch selbst Autor. Hat sich Ihre neue Arbeit schon auf das Schreiben ausgewirkt?
Antwort: Ja, ich habe mir für dieses Jahr eine Schreibpause verordnet. Dafür geht mir gerade zu viel durch den Kopf.
Frage: Wie wichtig ist es, dass Ihr Autor Michael Köhlmeier mit «Zwei Herren am Strand» auf der Longlist für den Buchpreis gelandet ist?
Antwort: Sehr wichtig. Diese Buchpreisnominierungen schaffen Aufmerksamkeit - auch wenn sie anderen Titeln natürlich gleichzeitig Aufmerksamkeit nehmen. Aber für die Leser sind diese Nominierungen schon sehr gute Bezugsgrößen.
Frage: Ihr Vorgänger Michael Krüger hat immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass Hanser ein unabhängiger Verlag ist und bleibt. Wie wichtig ist Ihnen das? Und bleibt das auch so?
Antwort: Das ist sehr sehr wichtig, weil es uns einfach die Gelassenheit gibt, nicht nur auf die großen Namen zu setzen, sondern auch neue Autoren aufzubauen. Wenn ich sage, dass wir jüngere Stimmen bei Hanser brauchen, dann ist mir klar, dass diese Autoren wahrscheinlich nicht alle sofort so zünden wie Robert Seethaler oder Karen Köhler. Der Verlag weiß, dass er immer wieder Geduld haben musste mit Autoren. Und das ist ein Segen. Dieses Jahr ist für viele Buchhandlungen sehr schwierig und damit auch für die Verlage nicht leicht - und zu sehen, wie leicht das hier genommen wird, das ist toll.
Frage: Was ist denn in diesem Jahr schwerer als im vergangenen?
Antwort: Die Flächen im Handel werden weniger, es gab die große Weltbild-Krise, einigen Buchhandlungen geht es nicht gut und sie gehen bei Einkäufen kein Risiko ein. Das kommt natürlich auch bei den Verlagen an. Unsere Branche ist nunmal eine, von der man nicht sagen kann, wie es in zehn Jahren um sie bestellt ist. Da kann man kurzatmig werden - oder gelassen bleiben.
ZUR PERSON: Jo Lendle war von 1997 an für den DuMont Buchverlag tätig, zunächst als Lektor, seit 2006 als Programmleiter für deutschsprachige Literatur. Seit Anfang 2012 hatte er die verlegerische Geschäftsführung bei DuMont inne, seit Anfang 2014 ist er Chef des Hanser-Verlages. Wie sein Vorgänger Michael Krüger ist Lendle nicht nur Verleger, sondern auch Autor. Zuletzt erschien sein Roman «Was wir Liebe nennen».
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