Bilderserie: Victoria Schilde
Ein gutes Dutzend Kinder im Alter von neu bis 13 Jahren hält Sybille Rohmann 90 Minuten auf Trab - und bei Laune. »Die Kinder sollen ja gerne herkommen«, sagt die A-Lizenz-Trainerin, die sich in der ehemaligen Lagerhalle an der Babenhäuser Straße einen kleinen Traum verwirklicht hat. Bis voriges Jahr trainierten die Kinder noch unter dem Dach des TV Großostheim. Doch das war zu klein geworden.
Die Ursache dominiert den großen Raum. Ein Wettkampf-Boxring mit den Außenmaßen 6 mal 6 Meter. »Hätten wir den im Nebenraum der Welzbachhalle aufgebaut, hätten wir keinen Platz mehr fürs Training gehabt«, sagt Rohmann. Die Bankkauffrau, die in Großostheim wohnt und in Alzenau arbeitet, ist der Kopf des neuen Clubs. Doch beim Kindertraining setzt sie auf die Hilfe des 15-jährigen Luis Reising.
Technik üben mit Rocky
Der lässt die Gruppe nach dem Aufwärmen erst einmal etwas Technik üben. Rohmann flitzt zum CD-Spieler. Schon halt »Eye of the Tiger« von Survivor durch die Halle. Die Rocky-Titelmelodie motiviert und macht nicht nur Beine. »Anzeigen« hat Luis angeordnet. Die Kinder schlagen abwechselnd in die zuweilen übergroß wirkenden Boxhanschuhe, die ihr Trainingspartner hochhält. »Wir machen ja kein Aerobic-Boxen, das ist olympisches Boxen, das hier trainiert wird«, sagt Rohmann. Doch nicht lange. »Nicht so viel Techniktraining, sonst wird es den Kindern zu langweilig.« Eine »vielseitige Bewegungserfahrung« sollen die Kinder machen. Daher gehören Ball- und Abwehrspiele zum Programm. »Die wenigsten der Kids werden in den Ring steigen, Austoben und Bewegung ist ihnen wichtig«, sagt Rohmann.
Boxclub Großostheim
Lea Duttine wurde von ihrer Freundin zum Boxen gelotst. Noch eine für Mädchen untypische Sportart, die die Zwölfjährige neben Fußball betreibt. »Ich tanze nicht so gern. Ich möchte Power rauslassen«, sagt die Realschülerin aus Großostheim, die in Mainaschaff Fußball spielt. »Beim Boxen kriege ich meine Gedanken frei.«
Im Gegensatz zu Lea kombiniert Anna-Sophie Becker Kämpferisches und Graziles - nämlich Boxtraining und Gardetanz. Auch sie wurde von einer Freundin fürs Boxen begeistert. Laura boxt in Leider, doch dann wurde die Dämmerin von ihrer Freundin Maja Steigerwald auf das Angebot in Großostheim hingewiesen. »Die Leute hier sind nett und es macht Spaß«, sagt die Elfjährige, die die Dalberg-Schule besucht.
Fürs Sparring zu früh
Der Spaß, mithin das Spielerische steht im Vordergrund beim Training. Sparring machen die Kinder eigentlich noch nicht. Erst die Älteren haben dazu manchmal Gelegenheit. Maximilian Kolb geht selten ins Sparring, doch heute darf er beim Zirkeltraining 30 Sekunden auf Luis eindreschen. Allerdings nur auf die Schlagweste, die der am Oberkörper trägt. »Geil« ist es dennoch. Auch die anderen Kinder haben dabei ihren Spaß. Sie alle wissen aber: Selbst zuschlagen darf man außerhalb des Boxunterrichts nicht. »Das ist ein No-Go«, trichtert Rohmann ihren Schülern ein.
Tim gefällt das Seilschlagen, das bei einigen Mädchen wegen der großen Anstrengung auf wenig Gegenliebe trifft. Wie die Liegestützen, die Sybille Rohmann während der Abschiedsrunde im Boxring anordnet. Strafe für Plappern während der Anweisungen - Disziplin ist eine wichtige Lektion für Boxer. Und ein paar Liegestütze bringen ja auch etwas mehr Farbe ins Gesicht.
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Andreas Schantz
Hintergrund: Ein fernseh-bekannter Box-Ring
Das Ding hat schon mancher gesehen, der nie die Halle des Fitness- und Boxclubs in Großostheim betreten hat. 6 auf 6 Meter Außenfläche, 5 auf 5 Meter im Seilquadrat - der Boxring ist wettkampftauglich. Kein Wunder. Vorbesitzer war sozusagen Stefan Raab. Sein »TV total Quizboxen« wurde darin aufgezeichnet. Doch die Show wurde nach fünf Sendungen abgesetzt, der Ring von der Produktionsfirma an den Sportausstatter zurückgegeben. Ein Mitarbeiter dieser Firma bot den Boxring über den Hessischen Boxverband zum Kauf an. So erfuhr Sybille Rohmann (Foto: privat) von dem Angebot. »Wäre ja toll«, sagte sie zu sich. Doch die betreffende E-Mail landete bei ihr schnell im digitalen Papierkorb. Denn in der Welzbachhalle, wo sie damals in einem Nebenraum mit der Boxabteilung des TV Großostheim trainiertew, war für das Ding kein Platz. Zwei Wochen später griff sie doch zum Telefon. »Ich habe mir gesagt: Wenn er noch da ist, ist es ein Zeichen.« Er war noch zu haben. Sybille Rohmann schlug zu - kaufmännisch. Aus eigener Tasche hat sie den Boxring finanziert und ihrem neuen Fitness- und Boxclub zur Verfügung gestellt. Vielleicht fragt sich Stefan Raab einmal, was aus seinem Boxring geworden ist. Einiges lernen könnte er in Großostheim - Sybille Rohmann ist schließlich Deutschlands einzige Boxtrainerin mit A-Lizenz. (Andreas Schantz)